Stille im Stillcafé

Mein Name ist Julia. Ich bin verheiratet und habe einen 8 Wochen alten Sohn. Da ich neu in dieser „Mutti-Szene“ bin, verschaffe ich mir erstmal einen Überblick. Nachdem ich  mehrere Wochen zuhause die Tapete angestarrt habe, muss ich dringend unter Menschen. Mein erstes Auflugsziel fiel als „new mom“ auf das Stillcafé im Nachbarort. Selbstverständlich (!) habe ich das vorher gegoogelt, was mich da erwarten könnte. Ich will ja vorbereitet sein und nicht auffallen: „Stillcafé ist die übergeordnete Bezeichnung für einen offenen Treff für Mütter gerade zur Welt gekommener Babys. Der Fokus liegt dabei auf dem Wort „Treff“, […]“ – Aha. Ok. Kommunikativ bin ich. Sogar so sehr, dass meine Lehrer es früher in meine Zeugnisse geschrieben haben.

Nun gut. Ich finde mich wieder auf einer Gummimatte mit sechs Mamas, sechs Kindern und einer Hebamme. Wir sitzen im Kreis und die Hebamme eröffnet „den Ring“: „So, ich schlage vor, ihr erzählt mal alle der Reihe nach, was ihr alles so für Babykurse besucht.“ Babykurse? „Julchen, einfach nett lächeln und warten, was die anderen jetzt sagen,“ denke ich mir und griene vor mir hin. Die Erste beginnt: „Montags Pekip, dienstags Babymassage, mittwochs Rückbildung, donnerstags Kanga…“ – Meine Aufmerksamkeit ist nur bis Pekip gekommen. Ich musste feststellen, dass meine Google-Recherche nicht ausgereicht hat. „Und freitags?“, hake ich neugierig nach. „Nein, freitags machen wir nichts. Das Kind muss ja auch nochmal Kind sein. Das ist mir total wichtig.“ Ich merke, wie mein Mund offen steht und ich einen leicht glotzigen Blick bekomme. „Julchen, riet di tosomm“, flüstert mir meine innere Stimme. Natürlich ging die imaginäre Friedenspfeife weiter und landete schließlich bei mir. „Was machst du mit deinem Kleinen?“ Mir fallen tausend dumme Sprüche ein. Ich hab sie mir allesamt brav verkniffen. Ein leises „Wir machen nichts“ säusle ich hinaus. Alle starren mich an. Einen Moment zu lang für mein Geschmack, aber ok.

Auf dem Heimweg grübel ich noch über diese Kurse-Geschichte. Muss ich meinen kleinen Jungen jetzt überall anmelden? Gehört sich das so? Was will ich überhaupt? Zuhause angekommen, setze ich mich an den PC und recherchiere. Irgendwie drifte ich aber ab und lande auf der Homepage der Süddeutschen. „Allergie-Prävention – Kuhstall ist der beste Schutz“ steht in fetten Lettern auf dem Bildschirm. Wie ein Schwamm sauge ich das Interview mit der Medizinerin Erika von Mutius auf. „Warum sind Bauernhofkinder weniger gefährdet? – Weil sich die Mutter während der Schwangerschaft und später das Kind im Kuhstall aufhalten- das ist der beste Schutz.“

Entschlossen greife ich zumTragegurt, nehme den Kleinen und gehe mit ihm raus zu meinem Mann, der gerade die Milchkühe füttert. Seit dem Tag verbringt der Kleine seine Mittagsstunde an der frischen (Stall)Luft. Wenn mich die Hebamme jetzt fragt, was ich für die Gesundheitsförderung meines Kindes tue, dann bekommt sie die Antwort: „Mittagsstunde auf dem Futtertisch.“

 

3 comments Add yours
  1. Find i echt cool was du da schreibst bin auch a Bäuerin, i hob drei KInder und hob auch nie an einer Stillrunde oder derartiges teilgenommen sondern bin lieber in Stall gonga… 😉

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