Home is where your Herd is

aufmacher_vonderschulbankinslehrerzimmer„Guten Morgen und herzlich Willkommen in meiner zweiten Heimat“, begrüßt mich eine freundliche Stimme am Eingang der Fachschule für Hauswirtschaft in Hademarschen, Kreis Rendsburg-Eckernförde. Es ist Dorthe Reimers. Die 28-jährige, große blonde Frau schreitet flotten Schrittes den langen, schmalen Schulkorridor entlang. Sie blickt zu mir nach hinten und sagt: „Wir sind heute in der Lehrküche. Das Menü wurde bereits besprochen und wir beginnen gleich mit dem Kochen. Es gibt Seelachsfilet Müllerin Art. Was das genau ist, zeige ich am besten gleich.“ Kurz vor dem Abbiegen in die Küche streift sich Dorthe mit einem gekonnten Handgriff das Haarnetz über. Sie trommelt die kochwütigen Schülerinnen zusammen und zeigt in der vordersten Kochkoje, worauf es beim Fisch zubereiten ankommt. Vor genau 12 Jahren stand sie selbst das erste Mal in dieser Küche – damals noch als Unterklassenschülerin.

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Dass ihre Zukunft mal in der Küche stattfinden würde, wusste Dorthe bereits mit sieben Jahren. Als ihre Eltern einmal kurz das Haus verließen, ermahnten sie ihre Tochter, sie solle wieder keine Eier für ihre Backexperimente verschwenden. „Die Herausforderung habe ich natürlich angenommen und einen Teig aus Mehl, Rasierschaum und ein bisschen Salz gezaubert. Die Masse habe ich dann zum „backen“ auf der Heizung im Wohnzimmer verstrichen. Als meine Eltern zuhause eintrafen, präsentierte ich stolz „mein Brot“. Ich bekam großen Ärger, den ich nicht nachvollziehen konnte. Schließlich hatte ich keine Eier verschwendet“, resümiert die ehemalige Pellkartoffelkönigin und „Erfinderin der Kartoffelpralinen“. Spätestens danach hatte keiner mehr Zweifel an ihrem Berufswunsch Hauswirtschaft. Ein paar Jahre und ein Realschulabschluss später besuchte die damals 16-Jährige dann endlich die Fachschule für Hauswirtschaft im ländlichen Raum. Das Besondere an der Schule: Die einjährige Internatszeit wird gleichzeitig als erstes Lehrjahr anerkannt. „Ich hab das ganze Wissen, das mir hier vermittelt wurde aufsogen wie ein Schwamm“, betont sie. „Für mein zweites Lehrjahr zog es mich nach Sommerland im südlichen Kreis Steinburg. Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb arbeitete sie im Haushalt und unterstütze tatkräftig bei den Melkzeiten. „Wer ein Jahr im Mädcheninternat übersteht, den schreckt so schnell kein Kuhstall ab“, sagt sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Für das dritte Lehrjahr zog es Dorthe in einen Privathaushalt. „Für mich eine ganz besondere Zeit, und wenn man so möchte ein kleiner dunkler Fleck in meinem Lebenslauf, denn kurz vor Ende der Ausbildung wechselte ich auf eigenen Wunsch zurück nach Sommerland, um dort die Ausbildung zu beenden.“ Sie wirft einen Blick über ihre Schulter und beobachtet ihre Schülerinnen beim Zubereiten. „Im Nachhinein betrachtet, kam mir diese Erfahrung, die ich damals mit dem Lehrstellenwechsel gemacht habe, zu Gute, denn ich werde immer noch von teils ehemaligen Schülern nach Rat gefragt, wenn es um dieses sensible Thema geht.“

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Zum Ende des dritten Lehrjahres gewann die gebürtige Hohenasperin den Berufswettbewerb, der von der Landjugend ausgerichtet wird, in der Kategorie Hauswirtschaft. Auf Bundesebene schaffte sie es sogar unter die Top Fünf. Wie sich erst im Nachhinein herausstellte, war dieser Wettbewerb der Grundstein für Dorthes spätere Landjugendkarriere. „Man lernte tolle Leute kennen und plötzlich, eh man sich versah, war ich mit im Landesvorstand“, fügt sie hinzu.

Nach der Ausbildung folgte die Rückkehr nach Hademarschen. Dieses Mal als Oberklassenschülerin. Das Jahr verging im Fluge und Dorthe fühlte sich bestens vorbereitet für das Berufsleben. Sie wusste bloß nicht auf welchen Beruf genau. Ihre Unentschlossenheit zog sie für neun Monate auf einen Milchviehbetrieb nach Kanada. „Ich hatte die naive Hoffnung, dass mir dort einfällt, was ich machen soll. Es kam aber keine Erkenntnis. Auch nicht am Abflugstag“, zeigt sie sich einsichtig. „Ich fing also an mich überall vorzustellen: Hotels, Großküchenleitung, Altenheime, aber immer fehlte das gewisse Etwas.“ Dann kam der Anruf von Gudrun Krey, langjährige Lehrerin an der Landfrauenschule. Sie suche nach tatkräftiger Unterstützung für die Grüne Woche, da sie zu wenig Blaumeisen für Berlin hatte. Dorthe willigte ein und „flog“ das zweite Mal unter schleswig-holsteinischer Flagge in die ehemalige CMA-Halle. „Beim „Trinkgeldessen“ mit den Blaumeisen gab mir Frau Krey dann den Wink, ich solle doch mal eine Bewerbung einreichen, da die Schule eine hauswirtschaftliche Betriebsleitung suche.“ Und da war er. Der Job nach dem Dorthe gesucht hatte auf dem Serviertablett. „Alles dabei: Spannung, Spiel und was zum Naschen“, scherzt sie. Sie bekam die Stelle und es folgten sechs Jahre als hauswirtschaftliche Betriebsleiterin im Internat. Der geringe Altersunterschied zu den Schülerinnen war nie ein Problem. „Im Gegenteil, denn ich bin sehr dicht an den Themen dran, die die Mädchen (und die paar Jungs) gerade bewegen.“

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Ein Zwischenruf aus der zweiten Koje hallt durch die Küche: „Frau Reimers, was machen wir mit dem Rest Ei von den Kirschtaschen für den Nachtisch?“ „Einen Moment bitte“, sie steht kurz auf, dreht sich in Richtung Schülerin und erwidert in die Runde: „Bitte einfach die Taschen mit dem restlichen Ei bestreichen. Das gibt einen tollen Glanz.“ Und setzt sich wieder. „So, und jetzt möchte man sicherlich wissen, wie ich an die Fachlehrerstelle kam?“ und schießt die Antwort gleich hinterher: „Viele unserer Kollegen gehen dieses und kommendes Jahr in Rente. Frau Krey ging bereits diesen Sommer, zwei weitere werden zum Sommer 2017 in Pension gehen. So ergab sich ein Fachlehrermangel und um es weiterhin zu gewährleisten, die angemeldeten Schüler im kommenden Jahr zu beschulen, war es wichtig eine Fachlehrerstelle dafür zu schaffen.“ Im Gegensatz zu Studienräten, die nach dem Studium ins Referendariat übergehen, ist es bei Fachlehrern so, dass ihre Stelle „geplant“ sein muss. Also nur, wenn konkreter Bedarf geäußert wird, darf eine Fachlehrerreferendariatsstelle ausgeschrieben werden. „Das wiederum hat den Vorteil, dass ich nach dem Referendariat einen Arbeitsplatz an der Schule sicher habe“, schlussfolgert die engagierte Vollblut-Hauswirtschafterin. Ihre Lehrerausbildung erfolgt über das BerufsBildungsZentrum am Nord-Ostsee-Kanal, der Mutterschule der Fachschule für Hauswirtschaft. Montags unterrichtet sie in Hademarschen, donnerstags in Rendsburg am BBZ. Den Rest der Arbeitswoche verbringt sie mit pädagogischen Weiterbildungen und Schulbesuchen von Mitreferendaren. 

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Dorthe blickt auf die Uhr und erinnert ihre Köchinnen zeitnah ihren Tisch vorzubereiten. Während sie weiter über ihre Vita erzählt, beobachtet sie zeitgleich jeden Schritt, der in den zwölf Kojen geschieht. Multitasking par excellence. Am Ende versammeln sich Service- und Kochschülerinnen um den großen Tisch. Die Schülerinnen wiederholen, worauf es bei „den drei S“ (Säubern- Säuern- Salzen) ankommt und was mit Seelachsfilet „Müllerin Art“ (mehlierter Fisch mit Salz-Petersilienkartoffeln und Zitronenbutter) gemeint ist. Mein Blick schweift ab auf ein Zitat, dass ich auf einem Notizblock sehe: „Home is where your Herd is“ steht darauf geschrieben. Jetzt verstehe ich, was sie eingangs mit ihrer zweiten Heimat bei der Begrüßung meinte. Dann hält Dorthe die Tür zum großen Speisesaal auf und lädt mit einer einladenden Handbewegung ein, sich zu Tisch zu begeben. „Darf ich in mein großes Esszimmer einladen?“

Eure Deichdeern.

 

 

 

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