Über den Tellerrand: Campen

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Ich hasse campen. Wenn ich an Camping denke, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Menschen das cool finden. Kurzes Brainstorming, was für mich dagegen spricht: Gemeinschaftsduschen, Jägerzäune, nachts drölf Meter zum nächsten Waschhaus laufen und zwei Kröten auf dem Weg begegnen. Kröten. Schon allein bei dem Gedanken daran bekomm ich ein Herpesbläschenkribbeln in der Oberlippe.

Nun schlag ich neulich die Rossmann Babywelt (Pflichtabo als Mutti – Wer die nicht bekommt, ist keine Mutter.) ins Haus geflattert und schlage willkürlich in der Mitte eine Seite auf. Mein Blick bleibt an der Überschrift „Glamping“ hängen. Super witziges Wortspiel aus „Glamour und Camping“. Da hat ja jemand ganz deep in die Wörtertruhe gegriffen. Ich blättere weiter und irgendwie automatisch wieder zurück. Irgendwie merke ich, wie mich das anfixt und das irgendwie was mit mir macht. Der Artikel wirbt für „Camping mit Schick“ in Kroatien. Klingt spannend. Glückliche Kinder, diesdas. Ich komme ins Grübeln und suche im Hinterkopf nach der Schublade, auf der steht, warum ich Camping nicht mag. Nichts gefunden. Ich geh nüchtern mal eine Pro-Liste durch: Irgendwo spontan hinfahren und dort bleiben, wo es gefällt: Pro. Dazu kommt, dass ich super gerne in der Natur bin, von ihr lerne, mich in ihr bewege. Pro. Heute hier, morgen dort. Pro. Ok, drei gute Gründe auf dem Deckel, die dafür sprechen.

Ok, dann ist JETZT der Zeitpunkt gekommen, um herauszufinden, ob ich meine Meinung vielleicht ändern muss. Ich schnappe mir den Laptop und suche „Camping Berlin“. Berlin deshalb, weil ich dort arbeite und alle zwei Wochen in die Hauptstadt einfalle – für zwei Tage und eine Nacht. Voila. Da ist der Hüttenpalast. Im Hinterhof der Neuköllner Hobrechtstraße betreiben zwei sympathische Menschen einen „Campingplatz“. Aber nicht irgendeinen. Er ist indoor (also keine Kröten) und lockt mit seinen liebevoll restaurierten Nostalgie-Campingwagen. Da will ich hin. Ganz mutig buche ich ein Ticket und bin sehr aufgeregt. Was erwartet mich? Wie sind die Menschen dort? Kann ich dort schlafen?

Tag X ist gekommen. Ich bleibe in dem Eingangstor stehen und sage mir „heute übernachte ich also in einem Wohnwagen. Mitten in Berlin. Verrückt.“ Die Dame von der Rezi führt mich in eine der zwei Hallen, in denen jeweils fünf Mini-Campingwagen arrangiert sind. Mich überkommt ein Gefühl aus Freiheit und Nostalgie. Ein Museumsbesuch im positivsten Sinne, wenn man so möchte. Die charmante Rezi-Lady zeigt mir alles in Ruhe. Sie nimmt sich richtig Zeit für mich. Das gibt mir ein sehr gutes Gefühl. „Die Stühle und Tische vor den Wohnwagen sind bewusst so gesetzt. Es gibt dem Ganzen den richtigen Campingcharakter“, stellt sie fest. Sie hat recht. Abends vor dem Eriba Puck sitzen, Bierchen, Leute kennenlernen. Mittlerweile merke ich, wie meine Anspannung ablässt und ich lockerer werde. Ich habe das Maximum an Entschleunigung erreicht. Mehr geht nicht, sage ich mir und hau mich aufs Ohr. Ohne Fernseher, ohne 20 Min. Instastories glotzen. Einfach so.

Am nächsten Morgen genieße ich einen frischen Kaffee, einen Apfel und ein Croissant. Alles in dem Übernachtungspreis von 85 € enthalten. Ich tapse zum nagelneuen Waschraum, um meine „Camping-Nachbarn“ (ein deutsches und ein australisches Pärchen) nicht zu wecken. Nachdem ich mich angeplünnt habe, schleiche ich mich wie ein One-Night-Stand aus der Camping-Halle. Ausgeschlafen und voller Energie. Draußen, 100 m vor den Toren des Hüttenpalastes stehen zweieinhalb Hundertschaften (zufällig genau die, die vom G20 Gipfel nach Hause geschickt wurden, wie sich später herausstellte. Stichwort #Partypolizei), die ein besetztes Haus räumten. Brust raus, Schultern zurück. Ich gehe straight an der Demo vorbei – beschwingt von den 12 vergangenen, abenteuerreichen Stunden im Eriba Puck. Meine Meinung über das Campen habe ich geändert. Kröten finde ich allerdings immer noch eklig.

Eure Deichdeern.

 

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