Wer ist Deichdeern? Das sind meine sechs Schubladen, in die ich am häufigsten gesteckt werde

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Das bin ich: Julia. Ich stehe superkurz vor der 30-Jahre-Linie (habe sie aber noch nicht überschritten!), bin verheiratet, habe einen zi-za-zauberhaften kleinen Jungen und führe ein ganz normales Leben. Es ist sogar so normal, dass ich euch darüber erzählen möchte. Auf meinem Blog. Seit über zwei Jahren schreibe ich nun schon als Deichdeern und die Leute und Leser versuchen vergebens mich in Schublade zuzuordnen. Gar nicht so einfach. Mittlerweile ist es eine ansehnliche Kommode geworden, die ich euch gerne zeigen möchte. Ich mache sie mal auf und zeige euch jede einzelne Schublade.

Schublade 1: Hubraum.

Schon früh habe ich festgestellt, dass ich irgendwie anders bin. Irgendwie mainstream, irgendwie aber auch nicht. Da wäre zum Beispiel meine Leidenschaft für Hubraum. Bei allem, was mindestens zwei Räder hat, werde ich schwach. Ob es daran liegt, dass mein Vater mich als kleines Mädchen schon immer mit in die Werkstatt genommen hat und der Geruch von Altöl heute noch Kindheitserinnerungen bei mir weckt? Vielleicht. Meine Mitschülerinnen begannen mit 12 zu reiten, ich lernte auf einer 500er Honda das Zusammenspiel aus Kupplung und Gas. Viele Freunde bekamen damals mit 18 den Autoführerschein bezahlt. Ich nicht. Da musste mein Konfirmationsgeld ran. Aber den Motorradführerschein, den bekam ich von „einer Hälfte“ meiner Erziehungsberechtigten. Die andere erfährt es wohl jetzt. Während andere das erste Mal nach dem Abi nach Malle flogen, fuhr ich mit meinem alten Herren drei Tage nach Assen. Zur Moto GP. Noch heute ist es im übrigen ein unerfüllter Traum mit dem Hinterrad einen sogenannten „Donut“ zu ziehen. (Das ist ein Burnout-Kreis.) Wer weiß, vielleicht kommt ja irgendwann mein Tag.

Schublade 2: Schminke, Jungs & Popmusik.

Neben meiner Leidenschaft für Hubraum, pflege ich eine innige Beziehung zur Popmusik. Mein Umfeld schaut heute noch verdutzt, wenn ich einfach zugebe, dass ich gerne Popmusik höre. Ok – und Schlager. Glaubt ihr nicht? Hier ein Einblick in meine Privatsphäre: Meine Spotify-Playlist. Sturm- und Stimmungserprobt. Ein Wochenende nur Roland Kaiser? Sehr gerne. Wichtig ist mir, dass es tanzbar ist und sich gut Bier darauf trinken lässt. Gin Tonic funktioniert auch. Ischwör.

Schublade 3: Muddihausen 

Also wenn es eine Vorurteilsschublade gibt, mit der ich mich (noch) am wenigsten identifizieren kann, dann ist es die mit der Aufschrift „Muddihausen“. Nachmittags zusammensitzen und bei Puffreis und stillem Wasser darüber zu philosophieren, ob „Römer“ jetzt den besten Fahrradsitz herstellt oder ob es auch ein andere täte. Naja. Ich bin für mehr Sekt in deutschen Krabbelgruppen. Aber, es gibt gute Nachrichten: Der Thermomix-Hype geht zurück. Früher hat man beim Grillabend mal nach einem Rezept gefragt und die Antwort war „Ist n Themomix-Rezept. Du hast keinen, oder?“ Das bessert sich langsam. Ich habe trotzdem keinen.

Schublade 4: Humor

„Das Gefängnis hat mich verändert“ – so hieß die erste Studivz-Gruppe, der ich beigetreten bin. Ihr wisst noch, damals, als Studivz ungefähr alles war und es hammer uncool war, wenn man zu „diesem Facebook“ gegangen ist. Wer 2006 schon bei Facebook war, der hatte auch Abercrombie & Fitch Hoodies für drölf Doller neunundneunzig im Schrank. Das gehörte quasi zusammen. Aber ich drifte ab: Humor. Humor wird bei uns in der Familie groß geschrieben. Während andere Menschen in ihren Elternhäusern lernten, wie man sich nach Knigge am Tisch zu verhalten habe, lernte ich zu lachen. Und zwar ungezügelt und laut. Noch heute lache ich tief und inbrünstig – wie ein Kutscher. Vermutlich, weil zuhause nie jemand „pssst, nicht sooo laut“ gesagt hat. An dieser Stelle: Danke Mama und Papa. Wer eine Kostprobe meines Humors haben möchte, hier ein paar Medien, die mich zum Lachen bringen. Lieblingsfilm: Kein Pardon.  Lieblingsfacebookseiten: Pfusch am Bau GmbH oder auch – ganz melancholisch – nachdenkliche Sprüche mit Bilder.

Schublade 5: Working Mom

Ich war jüngst auf dem 10-jährigen Abitreffen. Alle hatten 10 Kilo weniger auf den Rippen, ich mehr. „Kaschiert“ habe ich es mit einer Glitzer-Tarnjacke und meiner Kutscherlache (siehe Schublade 4). Irgendwann kam eine ehemalige Mitschülerin bei mir an und sagte: „Julia, wer hätte das gedacht, dass du so erfolgreich wirst? Verheiratet, Kind, Fulltime-Job – und das mit noch nicht mal 30.“ Ich kann euch sagen, wer das gedacht hätte: Ich selbst. Ich hab zwar nicht das beste Abi gemacht, aber ich hab einen gesunden Biss und weiß, was ich vom Leben will. Jedes Jahr zwischen Weihnachten und Silvester schließe ich mich in meinem kleinen Kämmerchen ein und schaue mir das vergangene und das kommende Jahr an. Privat und beruflich. Wer bin ich? Wo will ich hin? Was sind die Hindernisse? Über dem großen Ganzen steht eine Vision, die mich antreibt. Auch, wenn ich bei vielen als Sprücheelse bekannt bin, weiß ich ganz genau, was ich will. Und auch, was nicht.

Schublade 6: Emanze

Aufgewachsen bin ich in einem kleinen familiengeführten Landhandel. Meine Mama und mein Onkel machen die Geschäftsführung, mein Papa fährt LKW. Soviel zur Ausgangssituation. Meine Mama hat 98 % des Tages mit Männern zu tun: Landwirte, Vertreter, Händler, LKW-Fahrer. Da ich als Kind jeden Nachmittag mit im Büro saß, habe ich bei ihr ein komplettes „Basisstudium Kommunikation“ genossen: Verhandeln, Delegieren, Krisenmanagement. Meine persönlichen Highlights waren es allerdings – und das kam garnicht so selten vor -, wenn jemand anrief, der mal „mit der Geschäftsführung“ sprechen wollte. Gemeint war natürlich nicht „die Geschäftsführung“, sondern jemand mit einem Pimmel. Ich bin heute noch jeden Tag dankbar dafür, dass ich zuhause mit einem modernen Frauenbild aufgewachsen bin. Selbiges gilt auch für meine Oma. Die saß auch immer fest im Sattel. Wenn sie einer für dumm verkaufte, gabs Sporen. Wenn meine Oma nicht schon in den 50ern Buchhalterin in Hamburg geworden wäre, hätte sie genauso ein Inkassobüro aufmachen können. Freundlich, aber bestimmt. Wenn mich heute also jemand als „Emanze“ betitelt, nur weil ich keine Angst vor Männern habe, so what. Dann nehme ich das gerne in Kauf. Ich mache mir viel mehr Gedanken um die Menschen, die 2017 immer noch denken, eine Frau gehöre nach Hause und nicht in den Job (#Kind #Küche #Kirche). Wenn sie dieses Modell selbst gewählt haben, ist das völlig ok, aber für mich ist das nichts. Jeder nach seiner Facon.

In welche Schublade habt oder hättet ihr mich gepackt?

Frische Grüße,
Eure Deichdeern.

 

 

 

10 comments Add yours
  1. 🙂
    also, ich hätte dich jetzt erstmal in keine schublade gepackt, weil ich dich noch gar nicht kenne. ich bin neu hier auf deinem blog und über die empfehlung von clara (tastesheriff) hier gelandet. ich hab mich hier allerdings sofort sehr wohl gefühlt und bin deswegen erstmal da geblieben.
    deine schubladen kommen mir teilweise sehr bekannt vor! und ich frage mich gerade, in welche ich wohl am häufigsten gesteckt werden würde. wahrscheinlich würde ich am häufigsten in der „ach, sie sind hier die chefin?“ und „ingenieur – ist das denn was für frauen?“-schublade landen. denn die überraschtesten gesichter ernte ich, wenn (überwiegend) männer feststellen, dass man als ingenieurin nicht aussehen muss wie ein brauereipferd (sorry, liebe pferde – ist nicht persönlich gemeint) und man dann noch ein mittelständisches unternehmen im maschinenbau-sektor leiten kann – und trotzdem den kaffee selbst serviert. da geraten die vorurteile schon mal gerne durcheinander. 🙂
    jetzt hast du mich angestachelt. ich muss jetzt nochmal weiter über schubladen nachdenken… das macht spass!
    viele herzliche grüße
    die frau s.

    1. Frau S., du Zauberhafte! Ich danke dir für deinen Kommentar! Jaja, Frauen in „Männerberufen“. Same here💁 Als Agraringenieurin darf ich auch öfter zunächst meinen Gülle-Lebenslauf bringen, bevor ich gehört wäre. Mein Mann sagte letzte Weihnachten aus Scherz: „So und du bekommst zu Weihnachten einen PIMMEL geschenkt.“ Das war nachdem mich ein Landwirt anrief und fragte, ob ich es mir überhaupt zutraue zu arbeiten. So als Mutter. Ich versteh die Frage nicht 🙂

      Liebe Grüße an dich! Ich schau bei dir auch mal vorbei!

  2. Schubladen? Nur Menschen ohne Persönlichkeit passen in eine Schublade.
    Deswegen stecke ich dich, liebe Julia, in keine Schublade, aber ich gebe dir eine Überschrift: Authentisch!
    Den Aufsatz, der darunter steht, schreibst du jeden Tag neu. Und es passt viel dorthin! 🙂

  3. Mensch was hab ich gelacht. Großartigst. Viele deiner Schubladen stecken auch in meiner Kommode. Die ist aber schon 100 Jahre alt und hat nen fetten Riss durch die Kachelofenhitze. Ich liebe sie sehr.❤

  4. Herrlich! Ich mag deinen Humor, der aus allen „Schubladen“ blitzt! Machst du mal ’ne Spotify-Playlist gegen Herbstblues? Hast dort jetzt eine neue Followerin. 😉 LG!

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