Auf der Suche nach dem Unperfektem

Einst landeten Möbelstücke und Haushaltsgegenstände, die ein wenig zu viel Patina angesetzt hatten, auf dem Sperrmüll. Heute entfalten sichtbar vom Zahn der Zeit angenagte Stücke, vom rustikalen Dielenschrank bis hin zu Kissen aus alten Mehlsäcken, hingegen einen beinahe widerständigen Charme. Hella und Dina Struve aus Stedesand in Nordfriesland haben diesen Trend erkannt und ihren eignen Laden im November 2017 eröffnet.

Willkommen bei Antine

Im Herzen Nordfrieslands, direkt an der B5 in Stedesand, gehe ich als Autofahrer neuerdings noch mehr vom Gas. Grund dafür ist ein neues Geschäft zwischen Asmussen Landtechnik und dem „Laden mit den ganzen Figuren an der Straße“. Antine – nordisch wohnen steht in zarten Lettern an den großzügig geschnittenen Fenstern geschrieben.

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Alte Schätze finden ein neues Zuhause

Der Laden gehört meiner Kommilitonin Hella und ihrer Schwester Dina. Beide Mädels haben Landwirtschaft in Kiel studiert, arbeiten auch noch in der Branche – aber nur von montags bis mittwochs. Donnerstags bis samstags schlägt ihr Herz für Möbelstücke. Alte, charmante Möbelstücke. Schon beim Betreten des Geschäftes fühle ich mich sehr wohl. Melodische Klänge untermalen das Ambiente. Dann taucht Hella aus der Küche auf. Hella mag ich sehr. Auch schon zu Studienzeiten. Sie hat eine sehr unaufgeregte ausgeglichene Art und strahlt viel Harmonie aus. Ich bilde mir ein, dass sich ihre Persönlichkeit auch in dem Laden widerspiegelt. Die Möbel und Accessoires sind charmant und charaktervoll zugleich.

Die Möbel sind nahezu alle weiß, mint, friesischblau oder sandfarben. Ich frage Hella, nach welchen Kriterien sie sich für ein Möbelstück entscheidet – sie lacht und sagt: „Das wichtigste Kriterium ist, dass es mir gefällt.“ – „Und wie ist das mit deiner Schwester?“ erkundige ich mich vorsichtig. Hella schmunzelt. „Wir sind uns sehr ähnlich. Wenn wir gemeinsam shoppen gehen, können wir uns zwei Stunden trennen und wenn wir uns wieder treffen, haben wir exakt die gleichen Klamotten gekauft. Bei Möbeln ist das genauso.“ Für Hella stand von Anfang an fest, dass wenn sie das Abenteuer „Antine“ angeht, dann nur gemeinsam mit ihrer Schwester. „Wir sind wie das doppelte Lottchen. Ich kann mir keinen besseren Partner vorstellen. Es stand von Beginn an fest, wenn ich das mache, dann nur mit ihr“, so die 28-jährige Geschäftsführerin. Doch wie kam es überhaupt dazu?

Der Schwiegermutter über die Schulter geschaut

Vor vier Jahren eröffnete Hellas „Schwiegermutter in spe“, Iris Ahrendsen, den Shabby-Möbelladen Klein Lönneberga in Kronshagen bei Kiel. Dort half sie gerne aus, insbesondere im Verkauf und im Einkauf. Zeitgleich stand ein altes Bauernhaus auf der anderen Seite Schleswig-Holsteins, im nordfriesischen Stedesand zwischen Bredstedt und Niebüll, zum Verkauf. Hella und ihre Familie kauften das Objekt und bauten dort insgesamt sieben Wohnparteien aus. „Die „achte“ Partei könnte auch gut ein Laden werden – so direkt an der Bundesstraße.“ sagt sie schelmisch und deutet mit den Handflächen in den Raum. So entstand die Idee hierzu.

Wer ist Antine?

„Und wieso Antine?“ erkundige ich mich neugierig? Antine ist die Vorbesitzerin des Grundstückes. Sie hat in dem Bauernhaus gelebt bis sie verstarb. „Wir haben schon während der Bauphase immer gesagt „ich fahr mal schnell zu Antine“ und nicht „auf den Bau“. Das ist so drinnen bei uns – Ein anderer Name stand nie zur Wahl. Wenn wir hier einen Laden eröffnen, dann heißt er Antine“, erinnert sie sich. Antine ist die Abkürzung für Anne-Katharine. Die alte Dame war im ganzen Dorf bekannt und sehr beliebt. Als Hella und ihre Schwester Dina im November 2017 nach fast dreijähriger Planungs- und Bauphase endlich ihren Laden eröffneten, kamen auch die älteren Stedesander vorbei. Sie überreichten den Geschäftsführerinnen einen Bilderrahmen mit einem Portrait von Antine. Hella ist immer noch ergriffen von der Geste der Alt-Stedesander. Antine steht nun wohlbehütet direkt hinterm Tresen neben Hella. Dort hat die Dame den besten Überblick und bekommt alles mit.

Kleiner Rundgang

Wir machen eine Tour durch das Geschäft. Bei Shabby-Möbelläden gibt es finde ich zwei Extreme: Die einen sind sehr rummelig und zugestellt, das man knapp durchkommt. Die anderen sind sehr leer, so dass die Möbel bestens in Szene gesetzt sein sollen. Mich erinnert das allerdings immer eher an ein Museum oder eine Ausstellung. Hella hat es geschafft, dass ich mich in diesem Laden sehr wohl fühle und ich weder Phänomen eins noch zwei hier wahrnehme.

Wo kommen die Möbel her?

Neben ihrem Job als Gewässerschutzberaterin bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein und der Präsenz im Laden, schafft es Hella sogar noch einmal im Monat mit einem Transporter und einem Pferdeanhänger nach Holland und/oder Belgien zu fahren. Muss sie auch schaffen, denn ihre Ware ist beliebt und die Nachfrage ist da – sowohl von den Urlaubern als auch von den Einheimischen. Die Möbel sind meist schon fertig gestrichen und verkaufsfertig aufbereitet. Es kommt aber immer mal wieder vor, dass ihr noch ein i-Tüpfelchen fehlt…Hella macht Halt an einem Schrank und öffnet ihn vorsichtig. Sie zeigt mir ein Kissen. „Das sind ursprünglich alte Mehlsäcke.“ Die Säcke habe ich mehrfach gewaschen und sie dann in die Näherei gegeben. Meine Waschmaschine hat dieses Engagement nicht belohnt. Sie war erstmal verstopft“ – sagt sie mit einem Schmunzeln im Gesicht und streicht über das Kissen – „Das war es aber wert.“ Ich fasse auch über das butterweiche Mehlkissen. Da ich selbst in einem Mühlenbetrieb groß geworden bin, in der wir bis Ende der 80er Jahre auch Mehl für die Bäcker im Umland gemahlen haben und ich den Geruch von Mehl noch sehr gut in der Nase habe, hat sich mich allerspätestens jetzt total gecatcht.

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Ihr Lieben, ich könnte euch noch drei Seiten über den Laden schwärmen, aber ich schlage vor, ihr schaut ihn euch am besten selbst an.

Geöffnet hat „Antine“ immer von donnerstags bis samstags von 11.00 bis 18.00 Uhr und so erreicht ihr „sie“ am besten:

Dorfstr. 1, 25920 Stedesand
Tel. 04662.97 93 678
info@antine-wohnen.de

Viel Freude beim Stöbern,
Eure Deichdeern

5 comments Add yours
  1. Das ist ja eine nette Empfehlung. Vielleicht schau ich da vorbei, wenn ich auf dem Weg zum Narzissenfest bin, dann komm ich doch da vorbei, oder?

  2. Also da hast du ein wahres Schmuckstück gefunden. Ich habe den Herrn google gefragt, aber leider sind 1055 km vom anderen Ende Deutschlands zu weit. Sehr, sehr schade. Aber gut für meinen Geldbeutel 🙂
    Ich wünsche den drei Mädls, Hella, Dina und Antine alles gute für deren Laden 🙂

  3. Pingback: Picknickzeit! -

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