Die friesische Antwort auf den Weihnachtsbaum: Der Kinkenbuum

Moin,

ich bin Kerstin. Als Jannes_Schwester stelle ich bei Instagram
Rezepte aus Nordfriesland vor. Mein Wunsch ist es, auch weniger bekannte Gerichte wieder in Erinnerung zu rufen. (Die Deichdeern hat da ja schon drüber geschrieben.) Gutes Essen ist oftmals auch mit bestimmten Traditionen und Bräuchen verbunden und ich freue mich, euch heute eine dieser nordfriesischen Eigenheiten zu zeigen.

Kerstin, jannes_schwester, während des Verzierens des „Kinkentüchs“.

Julia und ich haben ein tolles DIY für Weihnachten für euch vorbereitet. Ja, man kann es tatsächlich schon wieder sagen: „Bald ist Weihnachten“. Und zu Zeiten des Lockdowns darf man sich vielleicht auch etwas mehr Zeit für die Vorbereitungen nehmen.

Kennt ihr den friesischen Kinkenbuum oder Jülbuum? Je nach friesischem Dialekt (Mooring, Fering, Öömrang) heißt der Kinkenbuum beispielsweise auch Kenkenboom, Jöölboom, Julböög). Wir haben jedes Jahr so einen nordfriesischen Weihnachtsbaum im Fenster stehen. Gekauft wurde er vor vielen Jahren auf einem Weihnachtsmarkt in der Adventszeit.

„Das müsste man doch auch selber machen können.“

Jedes Jahr, wenn ich ihn raushole, denke ich: „Das müsste man doch auch selber machen können“. Das haben wir jetzt für euch ausprobiert. Die Herstellung ist durchaus zeitintensiv, ihr müsst mit mindestens 10 Stunden Arbeitsaufwand rechnen, wenn alles glatt läuft. Dafür habt ihr dann aber auch ein Grundgerüst, das ihr jedes Jahr an Weihnachten wieder schmücken könnt.

Aber erstmal etwas zur Geschichte:

Der Kinkenbuum oder Jülbuum ist vermutlich entstanden, weil Tannengrün in dieser Region nicht besonders reichlich vorhanden war. Um auch eine Art Tannenbaum zu haben, wurde ein flaches Holzgestell mit vier Armen (manchmal auch nur drei) aufgestellt und aufwendig geschmückt. Ein Kranz aus Buchs (früher wurde wohl auch Efeu oder Krähenbeere verwendet), das Kinkentüch oder Gestaltengebäck, vier Kerzen, Rosinenkette und Äpfel sind fester Bestandteil, oft hängen auch Trockenpflaumen daran.

Es gibt Hinweise darauf, dass schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts solche friesischen Weihnachtsbäume in den Fenstern Nordfrieslands standen. Das Kinkentüch ist aber schon viel älter und zeigt, wie christliche und nicht-christliche Bräuche sich vermischen können. Neben Adam und Eva werden zumeist ein Fisch, ein Boot, eine Kuh, ein Schwein, ein Pferd, ein Hahn, eine Mühle oder auch ein Schaf gebacken. Auch Bauer und Bäuerin oder ein Hund können aufgehängt werden. Die Auswahl und Reihenfolge im Baum ist nicht festgelegt, nur Adam und Eva stehen in aller Regel unten in der Mitte. Sie stellen eine Art Opfergabe dar und sind Sinnbilder für Fruchtbarkeit, Glück, Stärke und ein positiv verlaufendes neues Jahr in Hinblick auf Landwirtschaft, Fischfang oder die Familie.

Jeder Figur wird eine bestimmte Bedeutung zugewiesen. Das Wort „Kinken“ bedeutet „Christkind“ und wird heute manchmal auch synonym für „Weihnachtsmann“ verwendet, „Jül“ heißt auf Friesisch „Weihnachten“. Der Jülbuum kann mit wenig Aufwand jedes Jahr wieder auf die Fensterbank oder auf den Tisch gestellt werden. Das ist platzsparend und die Kinder freuen sich im Januar darauf das Gestaltengebäck endlich essen zu können.

So ein Jülbuum ist also ein echtes Stück Tradition im eigenen Zuhause, das uns über die Adventszeit begleitet. Wenn ihr euch die Zeit nehmen wollt, auch so einen friesischen Weihnachtsbaum zu bauen, dann braucht ihr Folgendes:

Material

  • Ein Rundholz mit 15 mm Durchmesser, ca. 51-52 cm lang
  • Rundhölzer mit 10 mm Durchmesser, 33, 40, 41, 49 cm lang
  • einen Sockel, 2-3 cm dick und 15 x 15 cm groß
  • 4-5 mm dicken Draht, 150 cm lang
  • Guttacoll (Floristikbedarf)
  • Reißfestes Garn und Nadel
  • 4 Kerzenhalter (gibt es für Weihnachtspyramiden zu kaufen)
  • Holzleim
  • Heißklebepistole
  • Buchs
  • Dünnen Draht zum Binden
  • 150 cm dünnes Tau
  • 4 Äpfel mit Stiel
  • Rosinen
  • Kinkentüch (das Rezept findet ihr weiter unten)

Anleitung

1. Zunächst müsst ihr alle Abstände mit einem Bleistift auf dem dickeren Rundstab einzeichnen. In einem Abstand von 8,5 cm werden die Löcher für die Querstreben durchgebohrt. Dabei muss man aufpassen, dass die Löcher möglichst gerade und parallel zueinander gebohrt werden. Nach unten hin sollte der Abstand ca. 15 cm betragen.

Die Abstände auf dem dickeren Rundholz.

2. Die Querstreben werden dann mit etwas Leim mittig fixiert, von oben nach unten sind die Längen dieser schmaleren Rundhölzer: 40, 49, 41 und 33 cm.

3. Der Sockel ist etwa 2-3 cm hoch und quadratisch ca. 15 x 15 cm. Exakt in die Mitte wird ein Loch im Durchmesser des stärksten Rundholzes (15 + 1 mm) gebohrt, allerdings nicht bis zum Boden,
sondern nur 1-1,5 cm tief. Auch hier muss man darauf achten, dass das
Loch möglichst gerade gebohrt wird. Das Gestell wird anschließend in den Sockel gestellt. Festgeleimt wird es erst später, wenn alles andere fertig ist.

Der Sockel für euren Kinkenbuum sollte ungefähr so aussehen.
Foto: Kerstin und Julia

4. Nun schneidet ihr einen 4 mm dicken Draht auf 145-150 cm Länge zu.
Dieser wird rund gebogen und mit Guttacoll umwickelt. So lässt sich der Buchs später besser um den Draht wickeln.

5. Mit reißfestem Faden wird der Draht dann am Holzgestell befestigt. Bei der ersten und zweiten Querstrebe (von oben) muss der Abstand zum Draht etwas größer sein (ca. 4,5 cm), denn hier befestigt ihr später die Kerzenhalter mit Heißkleber.

Das Grundgerüst nach der Befestigung des Drahtes mit reißfestem Faden.

6. Das Grundgerüst ist nun fertig! An die überstehenden Enden der beiden oberen Querhölzer klebt ihr dann die Kerzenhalter mit einer Heißklebepistole.

7. Jetzt geht es ans Schmücken. Den Buchs bindet ihr am besten auf ein schmales und griffiges Seil. Hierzu nehmt ihr immer 2 bis 3 kleine Büschel und mit wickelt sie mit flexiblem Draht um das Seil. Die fertige Buchsgirlande wird dann am Draht befestigt.

So bindet ihr den Buchs mit Draht fest.
Und so oder so in etwa sollte das nachher auf der „Innenseite“ aussehen.

8. Die Rosinen zieht ihr dann wie eine Perlenkette auf einen Faden. Dafür sticht ihr mit einer Nadel einfach durch die Rosinen. Diese Kette wird dann an der dritten Querstrebe befestigt.

Das sind die Äpfel und die Rosinenkette aufgehängt am Kinkenbuum.
Fotos: Kerstin

9. Die vier kleinen Äpfel hängt ihr an ihrem Stängel um den ihr einen reißfesten wickelt, dann an dem Faden an das Gestell, dann kommen noch 4 rote Kerzen in die Kerzenhalter. Nun fehlt nur noch das Gestaltengebäck.

Zutaten Gestaltengebäck:

  • 200g gemahlene Mandeln
  • 200g Zucker
  • 200g Mehl
  • 200g kalte Butter
Die Zutaten für das Kinkentüch, oder Gestaltengebäck.

1. Die Zutaten zu einem geschmeidigen Teig kneten, kurz kühlen und dann 5-7 mm dick ausrollen.

2. Die Figuren malt ihr dann auf Fotokarton, schneidet sie
aus und legt sie dann auf den Teig. Den Teig könnt ihr auch ausschneiden. Es ist besser, nicht zu filigran zu arbeiten, damit das Gebäck später nicht zerbricht. Details lassen sich gut später aufmalen.

Die Schablonen für den Teig. Einfach drauflegen und losschneiden.
Die Figuren während des Ausschneidens. Das geht am besten mit einem scharfen Messer.

3. Die ausgeschnittenen Figuren legt ihr dann auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech und mit einem Schaschlik-Spieß stecht ihr ein kleines Loch hindurch, durch das später der Faden zum Aufhängen gezogen wird.

Das Gestaltengebäck nach dem Ausschneiden, mit einem Loch für den Faden zur Befestigung am Kinkenbuum.

4. Das Kinkentüch bei 150 Grad 30 bis 35 Minuten backen. Sobald das Gebäck anfängt dunkel zu werden, deckt es sofort mit Alufolie ab. Lasst die Figuren gut auskühlen lassen. Wenn die Figuen ausgekühlt sind, könnt ihr die Konturen mit einem dünnen Pinsel malen. Dies geht gut mit Rote Bete Saft (so macht man es ursprünglich), aber auch mit Lebensmittelfarbe gemischt mit Wasser.

Fertig gebackenes und verziertes „Kinkentüch“.

5. Wenn die Farbe trocken ist, hängt ihr das Kinkentüch vorsichtig in den Kinkenbuum. Wer etwas weniger zerbrechliche Figuren möchte,
backt sie aus Salzteig.

So oder so ähnlich sieht euer fertiger „Kinkenbuum“ oder „Jöölboom“ aus.

Jetzt ist euer Kinkenbuum fertig. Auf der Fensterbank oder auf dem Tisch begleitet er uns bis Januar durch die Weihnachtszeit.

Und wir finden, der Aufwand lohnt sich!

Eure Kerstin

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