Frag den Fachmann | Ulf Hofferbert über Klimawandel, Knollen der Zukunft und die Suche nach dem perfekten Namen

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Moin!

Diesen Monat dreht sich hier auf dem Blog alles um die Kartoffel. Ganz besonders freue ich mich, dass wir für diesen Themenmonat zur Kartoffel mit der Firma EUROPLANT einen tollen Partner gewinnen konnten, der es uns ermöglicht, etwas ausführlicher über die tolle Knolle zu berichten. Wichtig ist es mir zu erwähnen, dass wir im Rahmen unserer Zusammenarbeit seitens des Unternehmens keine Vorgaben bekommen haben und journalistisch frei arbeiten konnten.

Ulf Hofferbert im Experten-Interview

Jetzt möchte ich euch aber nicht weiter auf die Folter spannen. Wenn wir schon mit so einem weltweit führenden Pflanzkartoffelvermehrer und -vermarkter zusammenarbeiten dürfen, dann möchten wir dieses Unternehmen natürlich auch mit unseren Fragen löchern. Dazu habe ich den Kartoffelexperten Ulf Hofferbert interviewen dürfen.

Ulf Hofferbert (re.) im Dialog auf dem Feld. Hier fühlt er sich am wohlsten.

Ulf Hofferbert ist 53 Jahre alt und arbeitet als Beratungsleiter Deutschland und Vertriebsleiter Deutschland Ost und ist Prokurist bei dem großen Kartoffelvertriebsunternehmen mit Sitz in Lüneburg. Er ist das Bindeglied zwischen der Züchtung und der Landwirtschaft. Das bedeutet, dass er mit verantwortlich ist für die Erschaffung neuer Sorten.

Herr Hofferbert, was macht eine super Kartoffel aus?

Ulf Hofferbert: Die eierlegende Wollmilchsau gibt es bei den Kartoffeln nicht. Wir produzieren Kartoffeln in den neun Hauptklimazonen. Außerdem wollen wir 365 Tage im Jahr Knollen zur Verfügung haben und das geht nur mit einer gut aufgestellten Sortenbandbreite. Weltweit liefern wir mehr als 100 Sorten.

Wenn Sie sich heute überlegen, dass Sie eine besondere Sorte mit den Eigenschaften XY züchten wollen. Wie lange brauchen Sie für den Prozess?

Im Regelfall brauchen wir von der Idee bis zum marktfähigen Produkt zehn bis elf Züchtungs- und fünf Einführungsjahre für eine Sorte. Sortenentwicklung heißt also einen langen Atem haben.

Ihr Portfolio umfasst allein mehr als 100 unterschiedliche Kartoffelsorten. Wofür braucht man so viele?

Gute Frage. Also erstmal haben wir unterschiedliche Verwertungsrichtungen (Link führt zum Sortiment von Europlant – schaut gern vorbei!). Wir unterscheiden dort zwischen dem Bereich der Stärkemehlproduktion, gefolgt vom weiten Block der Verarbeitungssorten für Pommes, Chips oder Pürree, dem küchenfertigen Conveniencebereich bis hin zu den klassischen Speisesorten, die man beim Bauern oder im Supermarkt in der Gemüseabteilung bekommt. Bei allen Sorten kommt dann noch das gesamte Spektrum der Reifezeit dazu. Bei Speisekartoffeln variiert es von 60 bis 170 Vegetationstagen.

Was ist denn ihre persönliche Lieblingssorte?

Auf eine möchte ich mich gar nicht festlegen. Am liebsten esse ich festkochend, speckig, tiefgelb.

Klingt wie eine Sommelierbeschreibung. Können Sie das weiter ausführen?

Oh ja, das stimmt. Eine klassische Pellkartoffel muss für mich tiefgelb, schnittfest und farbstabil sein. Wenn es jetzt um eine Kartoffelsuppe gehen soll, dann lieber eine vorwiegend Festkochende oder eine Mehlige, weil die Suppe sonst nicht sämig wird.

Ulf Hofferbert (stehend) bei der Kartoffelgeschmacksprobe der „Corinna“, der aktuellen Kartoffel des Jahres, mit seinen EUROPLANT-Kollegen.

Gibt es regionale Unterschiede in den favorisierten Sorten?

Oh ja! Wir haben ein Nord-Süd-Gefälle. Im Norden schwören die meisten auf ihre festkochenden Sorten, während im Süden und im Osten überwiegend vorwiegend festkochend und mehlig nachgefragt wird. Es wird dort einfach anders gekocht. Im Osten wird mehr gedämpft, während wir in Norddeutschland die Knolle meist als Beilage in Form von Bratkartoffeln, Salzkartoffeln oder Pellkartoffeln essen. Das ändert sich aber mit den Verzehrgewohnheiten.

Apropos Verzehrgewohnheiten. Wo geht der Trend hin?

Wir sitzen zweimal jährlich in einem Gremium zusammen, in dem wir eruieren, wo der Trend hingeht und welche Kartoffel der Markt sich von uns wünscht. Dabei versuchen wir, so viel wie möglich zu berücksichtigen. Der Fokus liegt dabei auf den klimatischen Veränderungen, dem politischen sowie dem Verbraucherverhalten.

Das bedeutet konkret?

Statistiken zeigen uns zum Beispiel, dass es mehr Single-Haushalte geben wird und auch der Snack to go-Verzehr zunimmt. Heute kauft keiner mehr einen 50 kg-Sack – geschweige denn bekommt einen gehoben. Schon der 5 kg-Beutel wird zunehmend unbeliebter. Die Ökoware wird jetzt zum Beispiel schon in der 1 kg-Verpackung angeboten. Auch der Absatz an Mikrowellenkartoffeln – bei uns zum Beispiel die Regina oder die Belinda – mit einer Zubereitungszeit von acht Minuten nimmt zu. Das müssen Sorten sein, die gleichmäßig kochen. Das bedeutet, dass der Wassergehalt in der Knolle eine große Rolle spielt.

Bei den klimatischen und politischen Rahmenbedingungen stellen wir uns auf auf ein Low-Input-Programm ein, sprich wir brauchen Sorten, die mit geringeren Dünge- und Pflanzenschutzgaben sowie weniger Bewässerungsmöglichkeiten auskommen. Dazu hilft uns unser weltweites Netzwerk, dass wir jetzt schon an Standorten Sorten testen können, die klimatisch dem entsprechen, wo wir in Zukunft auch hinkommen werden. Ein weiterer Punkt ist der zunehmende Wunsch nach Regionalität. Wir wollen keine Kartoffeln aus Ägypten mehr im Regal, sondern 365 Tage im Jahr deutsche Kartoffeln anbieten. Das geht heutzutage mit den entsprechenden Kühlhäusern und Sorten.

Stichwort Corona. Jetzt sind im vergangenen Jahr viel mehr Menschen zuhause gewesen und haben entsprechend auch mehr gekocht. Merken die Kartoffelbauern das an der Nachfrage?

Nein, das ist leider ein Trugschluss aufgrund der unterschiedlichen Verwertungsrichtungen. Ich fange mal positiv an: Der Gesamtkartoffelabsatz an private Haushalte in 2020 hat ein Plus von 13 % zu verzeichnen. Das zeigen die gerade eingetroffenen Zahlen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI). Die „Gewinner“ sind hier vor allem die Hofverkäufe (+21 %), die Wochenmärkte (+5,7 %) und die Vollsortimenter (+18,1 %), wie z.B. REWE, EDEKA). Die meisten Kartoffeln werden in Deutschland im Discounter bei Penny, Lidl, Aldi gekauft. Dort lag der Umsatz bei einem Plus von 8,1 %.

Jetzt kommt aber das große Aber: Die Frittenerzeuger hingegen haben durch die geschlossenene Gastronomie und die leeren Stadien einen Einbuch von knapp einem Drittel verzeichnet. Das ist immens. Hier ist auch das Home Office zu spüren, denn die Kantinen – ein riesen Abnehmer von Kartoffeln – sind nahezu alle geschlossen. Ähnlich auch bei Snacks. Ich dachte, dass die Leute mehr Chips essen, weil sie mehr Zeit auf dem Sofa verbringen, aber das ist nur ein deutsches Phänomen. International werden Chips anders konsumiert. Vor allem außerhalb in der Gastronomie oder zum Nachmittagskaffee. Auch hier fehlen geschätzt 20 % vom Umsatz, obwohl die Ernte nicht schlecht war.

Sie heißen Corinna, Glorietta und Regina. Thema Namensgebung: Wer denkt sich die ganzen Namen aus und warum sind diese meist weiblich?

(lacht) Ich drücke das mal positiv aus: Die Kartoffel bedarf einer besonderen Ansprache und muss besonders gepflegt werden. Bei der Namensvergabe ist es so, dass die Sorten einen EU-Schutz haben und es auch ein EU-Sortenamt gibt. Wenn wir eine neue Sorte vorschlagen, muss sie sich mindestens von zwei Buchstaben zu einer anderen unterscheiden und phonetisch anders klingen. Denkt man sich, ok das ist machbar. Problem ist aber, dass in diesem Sortenamt schon tausende Namen hinterlegt sind und das ganz schwer ist. Dann soll der Name regional sein, aber doch auch international funktionieren. Die Herausforderung ist wirklich groß. Wir haben zum Beispiel mal mit der ganzen Firma gebrainstormt. Da wurden 250 Namen abgegeben. Von diesen war genau einer noch nicht geschützt. Deshalb gibt es im Industriebereich schon Kunstnamen wie Eurodelta und Eurogrande.

Vielen Dank für das Interview, Herr Hofferbert.

Das Interview führte Deichdeern Julia Nissen.

Zu guter Letzt habe ich für euch noch ein Video, das ich euch nicht vorenthalten möchte. Es zeigt die vier Jahreszeiten der Kartoffel. Schaut gerne rein:

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