Vorstadtgemüse: Traditionelle Landwirtschaft und hippes Start-up

Moin,

Sich in ein neues landwirtschaftliches Abendteuer stürzen: Das war Stephans Wunsch. Gemeinsam mit seiner Frau Daria und seinen drei Söhnen geht er mit Vorstadtgemüse neue Wege und verbindet Erfahrung mit frischen Ideen. Wir haben den 50-jährigen Landwirten interviewen dürfen. Das Interview führte Simon Blunck.

Stephan, was ist Vorstadtgemüse?

Stephan: Vorstadtgemüse ist ein Gemüsegarten zur Selbsternte, bei dem Menschen aus unserer Heimat zusammenkommen und gemeinsam gärtnern. Auf etwa 50 Quadratmetern je sogenannter Parzelle mit 20 unterschiedlichen Pflanzensorten begegnen sich Menschen, sie erleben Natur und schaffen etwas gemeinsam – das ist ein tolles Gefühl.

Das Besondere an dem Projekt ist der rege Austausch zwischen uns und den Hobby-Gärtnerinnen und -Gärtnern, aber auch unter den Menschen, die regelmäßig zu uns kommen – während Corona natürlich alles mit den nötigen Regeln. Bei unserer regelmäßigen Bauernsprechstunde geben wir Tipps und Tricks zum Gemüseanbau. Bei den Gesprächen geben wir unsere Erfahrung weiter und bekommen aber auch immer wieder neue Perspektiven aufgezeigt – beispielsweise zu politisch-landwirtschaftlichen Themen. Daria und ich genießen den Kontakt zu unseren regelmäßigen Besucherinnen und Besuchern sehr und finden die Verbindung zwischen traditioneller Landwirtschaft und Start-up-Atmosphäre sehr bereichernd.

Ein eingespieltes Team: Stephan und seine Frau Daria. Fotos: Vorstadtgemüse

Ihr seid nicht nur mit Vorstadtgemüse neue Wege gegangen, sondern habt euch auch auf eine spezielle Pflanze spezialisiert – die Süßkartoffel. Wie kam es denn dazu?

Eigentlich waren wir immer ein traditioneller landwirtschaftlicher Betrieb. Als wir vor 20 Jahren den Hof meiner Eltern übernommen haben, hätten wir uns noch nicht träumen lassen, dass wir andere Wege beschreiten würden als den für einen Bördebetrieb klassischen, konventionellen Anbau von Zuckerrüben, Pommeskartoffeln und Brotweizen. Doch meine Frau Daria, die eigentlich gelernte Optikerin ist, und ich haben uns irgendwann gefragt, was wir eigentlich mit unserer zweiten Lebenshälfte anfangen möchten. Noch dazu sind Subventionen vor allem für Zuckerrüben weggefallen. Wir brauchten neue Ideen und haben das Abenteuer gesucht!

2014/2015 fing alles an. Wir wollten nicht mehr nur für den Weltmarkt produzieren, sondern etwas aus unserer Region für unsere Region. Die Wahl fiel auf die Süßkartoffel. Doch zu aller Anfang begann die Recherche: Geht das überhaupt bei unserem lehmigen Bördeboden? Ist es hier oben im Norden warm genug. Kauft das überhaupt jemand? Eines war sicher: Süßkartoffeln waren ein neuer Trend und die Nachfrage stieg steil an. Wir sind diesem Trend gefolgt und musste als Pioniere vorangehen, denn wir hatten keinerlei Erfahrung. Zum Glück haben sich bei der ganzen Recherche sehr gute Kontakte nach Irland und Kanada gebildet.

Anfangs mussten wir mit einigen Rückschlägen klarkommen. Aber durch unsere Kontakte konnten wir immer mehr lernen. So wissen wir nun, dass der beste Aussaatzeitpunkt für die Süßkartoffel nach den Eisheiligen ist und dass die Pflanze am besten wächst, wenn die Erde mit schwarzer Mulchfolie überdeckt ist. Heute beliefern wir große Supermärkte mit unseren Süßkartoffeln. Die ganze Aktion war ein voller Erfolg!

Ist die Süßkartoffel für euch eine tolle Knolle? Und wenn ja, warum?

Wenn die Süßkartoffel eine Knolle wäre, wäre sie eine tolle Knolle. Aber die Süßkartoffel gehört zur Familie der Windengewächse und wir essen keine Knolle, sondern die Speicherwurzel dieser Pflanze – und ja, die ist auch richtig gut! Viele Menschen wissen gar nicht, was die Süßkartoffel – dieses tropische Wurzelgemüse – alles kann. Sie ist sogar roh essbar – in Wurzelgemüse beispielsweise. Und im Gegensatz zur Kartoffel kann man sogar die ganze Pflanze essen. Sie ist total vielfältig, hat wenig fett, aber dafür sehr viele Vitamine.

Ein weiterer interessanter Fact ist, dass die Süßkartoffel erst im Lager süß wird. Bei der Ernte schmeckt sie eher noch nach feuchter Pappe. Nach der Ernte wird sie bei 27 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit gelagert. Bei diesem Prozess wird Stärke in Zucker umgewandelt und die Kartoffel wird süß. Noch dazu wird die anfangs empfindliche Schale härter und verkorkt. Nach diesem Prozess wird die Temperatur des Lagers auf 13 Grad heruntergekühlt.

Habt ihr spezielle Rezept-Tipps für unsere Leser*innen?

Stephan: Ich mag Süßkartoffeln mit anderen Gemüsesorten auf dem Backblech. Das ist mein Süßkartoffel-Lieblingsessen. Ansonsten finde ich das Süßkartoffel-Bauernfrühstück, welches auch auf unserer Rezept-Seite zu finden ist, richtig lecker. Mit diesem Wurzelgemüse sind Köchinnen und Köchen keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist nur, dass man Süßkartoffeln nicht wie Salzkartoffeln kocht – das schmeckt meistens nicht – außer, wenn man Süßkartoffel-Stampf machen will. Die Süßkartoffel ist eben keine Kartoffel, sondern ein Wurzelgemüse.

Danke Stephan, für das interessante Interview und alles Gute für deine zukünftigen Projekte!

Zum Interviewpartner:

Stephan Hesse (50) lebt mit seiner Frau Daria und seinen drei Söhnen vor den Toren Hildesheims. Seine Familie und er führen den klassischen Bördebetrieb mit frischen Ideen in die Zukunft. Ein Gemüsegarten zur Selbsternte und der Anbau von Süßkartoffeln sind erst der Anfang. Für dieses Jahr haben Stephan und Daria schon wieder neue Ideen. Nur so viel: es wird blumig!

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