Bienenladies: Starke Frauen in Äthiopien

Moin,

Mit über 110 Millionen Einwohnern ist Äthiopien das bevölkerungsreichste Land unter den 15 ärmsten Ländern der Erde. Eingebettet im unruhigen Osten Afrikas ist Äthiopien derzeit vor allem von innerländlichen Unruhen zwischen den vielen verschiedenen Ethnien geprägt. Sowohl Industrie- als auch Dienstleitungssektor befinden sich erst im Aufbau. Ein Hoffnungsfaktor liegt in den Ressourcen der Landwirtschaft. 70% aller Äthiopier sind Subsistenzlandwirte (0,5- 4 ha) und mit der Bewirtschaftung wird ausschließlich die eigene große Familie versorgt.
Eine der größten Herausforderungen des Landes liegt im Bevölkerungswachstum. Kombiniert mit wenigen Arbeitsmöglichkeiten resultiert daraus eine große Zahl arbeitsloser Jugendlicher ohne Land zur Bewirtschaftung. Diesen eine Perspektive zu möglichen und damit der Landflucht entgegen zu wirken ist eine Herkulesaufgabe.

2013 sind Arnd, Julia und 14 weitere TOP-Kurs-Teilnehmer*innen nach Äthiopien geflogen, um vor Ort ein Projekt aus dem Boden zu stampfen, das es so in der Art noch nicht gab. Die 16 Agrarier*innen möchten ihr landwirtschaftliches Know-how so gezielt weitergeben, um den Äthiopier*innen eine neue, perspektivreiche Zukunft zu vermitteln. Wie das genau von Statten ging und wie der Status quo ist, das erzählt uns Arnd-Kristian Lauenstein. Der 34-jährige Landwirt aus dem niedersächsischen Bründeln engagiert sich ehrenamtlich im Bienenladies-Projekt und hilft dabei Frauen in Äthiopien sich eine eigene Existenz durch die Imkerei aufzubauen.

Bienenhaltung ist in Äthiopien weit verbreitet und hoch angesehen. Der hohe Blütenreichtum und die hohe Biodiversität der 30 Klimazonen bieten gute Voraussetzungen. Schon jetzt zählt Äthiopien zu den 10 größten Honigproduzenten der Welt. Schätzungen zufolge hat die derzeitige Produktion das Potenzial verzehnfacht zu werden. Es gibt mehrere Millionen ungelernte Imker und es fehlt dadurch an Kompetenzen.

Das Bienenladies-Projekt setzt genau hier an und schafft für junge Frauen Möglichkeiten, durch Imkerei selbstständig Einkommen zu generieren und die Imkerei im Land voranzubringen ohne eigenes Land zu besitzen.

Arnd Lauenstein. Arbeitet auf dem familiären Ackerbaubetrieb und engagiert sich eherenamtlich u. A. in Äthiopien.
Fotos (6): privat

Moin Arnd, magst du uns mal kurz verraten wer du bist und was du machst?

Arnd: Moin, mein Name ist Arnd Lauenstein, ich bin 34 Jahre alt und lebe und arbeite auf unserem Ackerbaubetrieb in dem kleinen Ort Bründeln im Landkreis Peine in Niedersachsen. Ich habe eine Masterstudium der Agrarwissenschaften in Göttingen abgeschlossen und in verschiedenen Praktika während des Studiums im in In- und Ausland meine Begeisterung für Pflanzenbau und die dazugehörende Technik gestärkt. Diese Kombination bringe ich jetzt in den eigenen Betrieb ein, in dem wir uns auf die Produktion von Weizensaatgut und den Zuckerrübenabau konzentriert haben. Neben der Arbeit im Betrieb engagiere ich mich ehrenamtlich in verschiedenen Bereichen.

Du hast ja auch mit Bienen zu tun, denn du bist mit involviert in einem Imkerinnen-Projekt, was ist das für ein Projekt?

A: Genau, das ist eines meiner Ehrenämter. In diesem Imkerinnenprojekt namens „Bienenladies in Äthiopien“ bin ich im fünfköpfigen Führungsteam dabei und kümmere mich im Besonderen um das finanzielle Zahlenwerk. Aber auch zu den übrigen Themen dieses Entwicklungsprojektes tauschen wir uns regelmäßig im Führungsteam und dem dahinterstehenden Förderverein aus. Unser Projekt unterstützt junge äthiopische Universitätsabsolventinnen auf dem Weg zu Ihrem eigenen Unternehmen und der damit verbundenen selbstständigen wirtschaftlichen Existenz in der Imkerei. Wobei das Imkereihandwerk und unser Einsatz in die dafür nötige Grundausrüstung nur die Keimzelle darstellt. Wir setzen unseren Schwerpunkt im Verlauf immer mehr auf Beratung, Fortbildung, Vernetzung und Training, also auf das Können und immer weniger auf „Hardware“.

Wie kam es zu dem Projekt „Bienenladies“?

A: Dazu muss ich ein wenig ausholen. Der das Projekt tragende Förderverein setzt sich zusammen aus Absolventinnen und Absolventen der jährlich stattfindenden, zehnwöchigen Intensivlehrgänge für landwirtschaftliche Nachwuchskräfte der Andreas Hermes Akademie. Neben (agrar-)politischer Bildung und vielen weiteren Aspekten, wird dort auch der Blick über den eigenen Tellerrand trainiert. In meinem Lehrgangsjahrgang 2013 berichtete uns ein Referent über Äthiopien und wir entschieden uns im Nachgang eine kleine Erkundungsreise in das nordost-afrikanische Land zu unternehmen.

Die Eindrücke waren im besten Sinne atemberaubend und wahrlich horizonterweiternd. Mit diesen Impressionen im Gepäck verständigten wir uns im Förderverein, der vor einigen Jahren bereits ein Entwicklungsprojekt in Afrika abgeschlossen hatte, eine zweite Sondierungsreise nach Äthiopien zu unternehmen.

Eine kleine Gruppe aus dem Förderverein begab sich auf die Suche nach einem Projekt, das zu uns und unserem Budget passt. Über einen deutschen Entwicklungshelfer stieß unser Suchtrupp auf das Projekt, jungen Frauen mit der Imkerei eine Einkommensquelle vor Ort zu eröffnen. In den ländlichen Regionen Äthiopiens leben viele Familien von Ackerbau und Viehzucht. Die Klein(st)betriebe werden in der Regel an die Söhne der Familien weitergegeben und sind auch zu klein um mehrere Familien zu ernähren. Die Töchter begeben sich auf die Suche nach Jobs, die eher in den Städten zu finden sind und ziehen fort.

Die Imkerei hingegen bietet eine Wertschöpfung vor Ort, die nicht viel Land benötigt. Honig ist wertvoll und sehr gefragt in Äthiopien. Die Bestäubungsleistung der Bienen kann darüber hinaus auch der umliegenden Vegetation zugutekommen.

Was sind eure Ziele mit den Bienenladies und was habt ihr schon erreicht?

A: Unser Ziel ist es, mit unseren Bienenladies vor Ort sogenannte „Leuchtturmimkereien“ zu schaffen, die neben der eigenen Produktion auch mit Vernetzung und Wissenstransfer in die umliegenden Regionen „leuchten“ und Nachahmer ermutigen sollen. Der Honigbedarf in Äthiopien ist riesig und lange noch nicht durch eigene Produktion gedeckt. Dabei sind die Standorte frei darin, wie sie Ihre Unternehmen ausrichten wollen.

Wir sehen unterschiedlichste Ansätze, wie die Bienenladies ihre Einkommensquellen ausbauen. Manche Standorte sind sehr erfolgreich im Imkern und vermehren ihre Bienenvölker, was zu mehr Honig- und Bienenwachsabsatz führt. Anderen liegt das handwerkliche besonders und sie haben sich auf die Produktion und den Verkauf von Holzrahmen für Bienenkästen spezialisiert. Wieder andere kaufen Rohhonig zu, den sie aufreinigen und damit veredelt weiterverkaufen. Die nächsten produzieren besonders formschöne Wachskerzen, deren Absatz so gut ist, dass sie inzwischen neben Bienewachs auch Kerzenwachs verarbeiten. Auch der Anbau von Obst und Gemüse auf den Parzellen, wo die Bienenstöcke stehen, ist ein Weg Einkommen zu schaffen, was gleichzeitig auch mehr Nektar und Pollen für die Bienen mitsichbringt. 

Die Unternehmerinnen probieren sich aus und verfolgen das, was ihnen und ihren Standorten am besten liegt. Der Austausch untereinander führt nicht selten zu Synergieeffekten. Unser nächster Schritt ist es den Bienenladies nun, nachdem sie handwerklich und unternehmerisch laufen gelernt haben, in den Didaktischen- und Vernetzungsfähigkeiten durch eine Trainerausbildung voranzubringen.

Wie läuft das Projekt konkret ab? Wie oft seid ihr vor Ort?

A: Unsere unterstützten Standorte bestehen aus meist zwei Frauen, die im Rahmen ihres Universitätsabschlusses einen von unserem Projekt koordinierten Imkereikurs abgeschlossen haben. Darin wird insbesondere das moderne Imkern mit wiederverwendbahren Bienenkästen gelehrt. Bei der ursprünglichen Methode wird zur Honiggewinnung die klassische Bienenbeute, meist ein hohler Baumstamm, zerstört und viele Bienen oder das ganze Bienenvolk gehen verloren.

Zwei der besten Absolventinnen des Imkerkurses werden mit einer Fläche für die Bienenstöcke und einer Grundausrüstung für das Imkern unterstützt. Eine stetige Beratung mit Trainings vor Ort, aber auch bei gemeinsamen Treffen mit den anderen Bienenladies soll durch die Vernetzung und Erfahrungsaustausch den Bienenladies helfen, Ihre Unternehmen zu entwickeln. Dafür haben wir vor Ort eine feste Ansprechpartnerin, die selbst den Imkerkurs abgeschlossen hat und zum Beispiel dafür zuständig ist, Kontakt mit den Standorten zu halten, Zielvereinbarungen zu treffen und zu kontrollieren und den finanziellen Part vor Ort zu regeln. Im Moment umfasst das Projekt sechs Standorte.

Normalerweise sind mindestens jährlich, eher häufiger, Personen von uns vor Ort, um den aktuellen Status zu begutachten, Trainings durchzuführen oder nächste Schritte abzustimmen. Noch vor der Corona-Pandemie spitzte sich die Sicherheitslage in Äthiopien zu, sodass einige Reisen abgesagt werden mussten. Dank des Internets ist ein Kontakt per E-Mail und Videokonferenzen jedoch weiter möglich. Apropos Internet. Auf unserer Internetseite gibt es weiterführende Informationen zu unserem Projekt.

Foto: Bienenladies

Seid ihr mit dem Projekt auch auf Probleme gestoßen?

A: Ja, klar sind wir das. Die Sicherheitslage habe ich eben schon angesprochen. Der Krieg, der im Nordosten des Landes stattfindet/stattgefunden hat, ist ein trauriger Tiefpunkt der Situation in Äthiopien. Wir haben auch einen Standort im betroffenen Kriegsgebiet, zu dem es lange keinen Kontakt gab, weil die Internetkommunikation abgeschaltet wurde. Auch haben unsere Bienenladies in der Kriegsregion Freunde und Angehörige verloren. Das erschüttert uns noch immer sehr.

Aber auch im Vorfeld gab es bereits Situationen, wo durch landesweite Unruhen wochenlang die Bienenladies nicht zu ihren Bienen konnten und Erfolge verloren gingen. Auch kam es vor, dass ein Standort von der Stadt anders genutzt werden sollte, und an anderer Stelle wieder neugestartet werden musste. Auch dass eine Bienenlady krankheitsbedingt Monate aussetzen musste, kam vor. Ein positiver Nachteil für einen Standort, wenn man das so nennen kann, war, dass eine Bienenlady für einen gut bezahlten Posten „abgeworben“ wurde, weil jemand auf sie durch ihre Tätigkeit im Projekt aufmerksam geworden ist. 

Kurzum läuft in einem anderen Land vieles anders, als man es kennt oder erwartet. Von den „alten Hasen“ der Entwicklungshilfe vor Ort, die uns als weitere Ansprechpartner zur Verfügung stehen, versuchen wir uns den langen Atem und die gewisse Gelassenheit abzuschauen, das gelingt immer besser. Der Krieg erschüttert uns ins aber weiter ins Mark, das möchte ich nochmal betonen.

Was wünscht du dir für die Zukunft der Bienenladies?

A: Zunächst einmal wünsche ich mir, dass das Land nach dem Krieg wieder zur Ruhe kommt und der Heilungsprozess zwischen den Kriegsparteien und den involvierten Bevölkerungsgruppen schnell in Gang kommt. Ich weiß sehr wohl, dass sich das sehr einfach aus der Ferne sagen lässt und so ein Prozess lange dauert.

Ich hoffe, dass auch bald wieder Reisen von uns und unseren Beratungsspezialisten möglich sein wird.

Für unsere Bienenladies wünsche ich mir, dass der eingeschlagene Weg weitergeht. Alle Standorte waren zuletzt sehr gut unterwegs und die nächste Etappe der Trainerausbildung soll dem Feuer in dem Imkereileuchtturm mehr Brennstoff zufügen, sodass auch weitere Unternehmerinnen erfolgreich werden und sich eine selbstbestimmte Perspektive erarbeiten können.

Wir danken Arnd ganz herzlich für das Interview und wünschen ihm und den Bienenladies weiterhin viel Erfolg für dieses wundervolle Projekt.

Wenn ihr neugierig seid, findet ihr hier nochmal mehr Informationen zu den Bienenladies.

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