Mehrgenerationenhaus vs. Bauernhof

IMG_3637.JPGDurch Zufall war ich auf der Seite des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend. Dort gibt es eine eigene Rubrik, die Mehrgenerationenhäuser heißt. Witzig, im ersten Moment assoziiere ich mit einem Mehrgenerationenhaus einen Bauernhof. Lass mich doch mal in die Definition schauen, was so einen Ort tatsächlich ausmacht:

“Mehrgenerationenhäuser sind Begegnungsorte, an denen das Miteinander der Generationen aktiv gelebt wird. Sie bieten Raum für gemeinsame Aktivitäten und schaffen ein nachbarschaftliches Miteinander in der Kommune. Mehrgenerationenhäuser stehen allen Menschen offen – unabhängig von Alter oder Herkunft. Jede und jeder ist willkommen. Der generationenübergreifende Ansatz gibt den Häusern ihren Namen und ist Alleinstellungsmerkmal: Jüngere helfen Älteren und umgekehrt.”

Ok, soweit klingt es erstmal ganz normal nach einem klassischen Bauernhof. Ich lese weiter: “Mehrgenerationenhäuser gibt es nahezu überall in Deutschland. Bundesweit nehmen rund 550 Häuser am Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus teil.” An dieser Stelle stoppe ich. Programm?! Was für ein Programm?

Da ich an das Gute im Menschen glaube, wage ich eine Behauptung: Ich behaupte, dass derjenige, der sich den Begriff Mehrgenerationenhaus ausgedacht hat, in Wirklichkeit auf einem Hof lebt und all die Dinge, die für Bauernkinder selbstverständlich sind, als neues Programm vorgeschlagen hat. Glaubt ihr nicht? Na dann gehen wir mal den Kriterienkatalog durch:

  1. “Das Herz aller Mehrgenerationenhäuser schlägt im Offenen Treff. Hier kommen Menschen miteinander ins Gespräch und knüpfen erste Kontakte. Der Offene Treff ist Caféstube, Erzählsalon, Spielzimmer, Treffpunkt der Generationen und Wohnzimmer für alle.”
    –>
    Also, wenn ich so darüber nachdenke, wer so am klassischen Bauernküchentisch so Platz nimmt?! Vertreter, Nachbarn, Kinder, Postboten (!), eigentlich jeder. Die Tür steht immer offen.
  2. “Rund um den Offenen Treff unterhält jedes Mehrgenerationenhaus eine Vielzahl von Angeboten, die so vielfältig sind wie die Nutzerinnen und Nutzer selbst. Dazu gehören Betreuungs-, Lern- und Kreativangebote für Kinder und Jugendliche, Weiterbildungskurse für den (Wieder-)Einstieg in den Beruf, Unterstützungsangebote für Pflegebedürftige und deren Angehörige, Sprachkurse für Migrantinnen und Migranten und vieles mehr. Mehrgenerationenhäuser sind kompetente und verlässliche Partner für jedes Alter und in allen Lebenslagen.
    –> Ich erwische mich beim Nicken während des Lesens. Genauso ist es doch auf dem Hof. Betreuungsangebot für Alt und Jung meistert meine Schwiegermutter, Lern- und Kreativangebote bietet die Schatzkammer Bauernhof ebenfalls genug und Sprachschule…also mein Opa spricht mit jedem Platt, ob der aus Hamburg oder Syrien kommt.
  3. “Freiwillig Engagierte leisten in den Mehrgenerationenhäusern einen unverzichtbaren Beitrag. Sie sind es, die gemeinsam mit den Hauptamtlichen das Leben in den Häusern gestalten und damit zum Erfolg beitragen. Freiwillige engagieren sich als Leihgroßeltern, geben Computer-Nachhilfe, veranstalten Deutschkurse oder stellen Theaterprojekte auf die Beine. Mehrgenerationenhäuser sind Anlaufstellen für alle, die sich mit ihren Fähigkeiten und Talenten einbringen und für andere da sein wollen.
    –>
    Also freiwillig und teils unentlohnt arbeiten auf dem Hof auch alle. Computernachhilfestunden habe ich schon so einige unterrichtet (mit Erfolg: Ich skype heute noch häufig mit Oma, 80, und Opa, 87.

Jetzt habe ich dreimal einen großen Haken hinter den Kriterien gemacht und glaube, dass ich nicht die einzige bin, die sich in diesen Kriterien widerfindet. Daher meine Bitte ans Ministerium: Liebe Ministerin Barley, können Sie die Karte der 550 Mehrgenerationenhäuser vielleicht noch um unsere knapp 256.000 familiengeführte Bauernhöfe* ergänzen? Das wäre hervorragend.

Vielen Dank und beste Grüße aus dem “Erzählsalon”/ Küchentisch,
die Deichdeern

 

*Die Zahl ist von 2014. Ich habe keine aktuelle gefunden. Es sind durch die letzten Jahre doch ein paar weniger geworden. Leider.

3 comments Add yours
  1. Ich finde die Idee vom Mehrgenerationenhaus toll und gut, dass sowas vom Ministerium als Programm aufgenommen wird, auch wenn das für so viele Bauernfamilien selbstverständlich ist. Aber in der heutigen Zeit geht durch die vielen Single-Haushalte so viel verloren, für Alt und Jung.

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