Granny Aupair: Leih-Omas als Weltenbummler

Moin!

Was tun, wenn die Kinder aus dem Haus sind und Frau schon in Rente ist? Das ist eine Frage, die sich auch die Hamburger PR-Fachfrau Michaela Hansen (59) stellte und gründete die Agentur Granny Aupair. Warum sollten denn nur junge Mädchen nach der Schule oder dem Studium diese einmalige Chance haben? Man könne dies doch auch als erfahrene Frau über 50 tun und dabei sowohl Ländergrenzen als auch sprachliche und kulturelle Hürden überwinden.

Im Jahre 2010 erblickte die Agentur Granny Aupair das Licht der Welt, damals die erste dieser Art. Der Zeitpunkt war perfekt, denn gerade kam die Generation 50+ weg von ihrem angestaubten Image und wurde fortwährend als „Best-Ager“-Generation bekannt. Denn die guten Damen und Herren sind längst nicht mehr so „alt“ wie die Generationen vor ihnen mit über 50. Die „Best-Aager“ zeichnen sich durch eine neue Art der Lebensfreude aus. Die Kinder sind ausgezogen, das Haus ist abbezahlt und das Arbeitsleben ist auch schon vorbei. Die Faltenröcke werden ausgetauscht gegen Hoodies und sportlich befindet sich man beim Fußball zwar alterstechnisch bei „den alten Herren“, bei der Kondition und Fitness allerdings stehen sie ihren 20 bis 30 jüngeren Kindern in nichts nach.

Und so reisten seit 2010 mehrere tausend Frauen in über 50 Länder der Welt um dort „Oma auf Zeit“ zu werden. Es begann alles mit dem Aufruf „Oma als Aupair für Kanada gesucht“. Dieser fand damals allerhand mediale Beachtung und schon einige Monate später, machte sich die erste Granny auf den Weg nach Nordamerika. Allerdings gehen nicht alle in eine Gastfamilie um dort für einen längeren Zeitraum zu leben, einige unterstützen auch als Freiwillige soziale Projekte in den jeweilige Gastländern.

40% Wiederholungstäter

Unter den Grannys und den Gastfamilien befinden sich auch viele Wiederholungstäter. Die Statistik spricht hier eine klare Sprache, denn 40% aller Grannys und Gastfamilien belassen es nicht bei einem Mal. Von Kanada, den USA über Tirol bis hin nach China oder Australien, überall waren die „Omas auf Zeit“ schon. Die längere Zeit in einer Familie im Ausland ermöglicht es ihnen, dass Land sowie seine Kultur und Menschen viel besser kennenzulernen als nur als normale Touristin. Dabei entstehen natürlich auch sehr viele und sehr tiefe Freundschaften zwischen den Grannys und ihren Gastfamilien.

Die Philosophie von Granny Aupair ist der kulturelle Austausch und wie man nach 10 Jahren Bestehen und der Statistik sieht, funktioniert das nicht nur sehr gut, sondern wird von allen Beteiligten auch gelebt. Für Michaela Hansen ist das wertvollste an ihrer Arbeit, die Tatsache, dass sie Menschen weltweit verbindet, die sich sonst niemals kennen gelernt hätten.

Dies gilt auch für Ingeborg (68). Sie hatte mit 60 Jahren mal ein Artikel über Granny-Aupair gelesen. Der Gedanke ins Ausland zu gehen, lies sie seitdem nicht mehr los. Ihre Tochter ging nach der Schule, wie viele andere auch, für ein Jahr ins Ausland. Mit 66 Jahren, wo bekanntlich das Leben anfängt, ging es für sie dann erstmal zum schnuppern für eine Woche nach Frankreich. Da sie sich bei der Gastfamilie sofort wohl fühlte, dauerte es nicht lange, bis sie längerfristig blieb. Seitdem war sie zwei Mal für jeweils drei Monate bei der Gastfamilie und einmal für sechs Monate in Australien.

Sydney mit dem tollen Blick auf‘s Wasser. Jeden Mittwoch fand eine kleine Regatta statt.
Foto: Ingeborg Schmehl

In Frankreich, 20 Kilometer von Genf entfernt, wohnte sie gemeinsam mit der Gastfamilie in einer umgebauten Mühle und war durchweg fasziniert von der Landschaft, den vielen Kühen und den wunderbaren Menschen. In Australien, inspirierte sie die Lockerheit der Menschen und dass das Wort „Stress“ für die Australier ein Fremdwort zu sein schien. Auch als sie mit ihrer Gastfamilie den Umzug von Melbourne nach Sydney in ein Haus mit Meerblick meisterte, war da von dem deutschen Stress nur wenig zu spüren.

Für Interessierte gibt sie zu bedenken, dass das Sprichwort „andere Länder, andere Sitten“ immer noch zu beachten ist, denn als Granny muss man sich in der Gastfamilie „unterordnen und integrieren” können. „Man ist dort nicht der Bestimmer und da muss man der Typ für sein“, verrät sie. Freude am Reisen sei auch eine gute Voraussetzung.

Das Haus der Gastfamilie in Frankeich im Winter. Hinter dem Haus fließt ein kleiner Bach. Eine kleine Idylle nur 20 km von Genf entfernt. Foto: Ingeborg Schmehl

Auch Edith (72) machte sich auf den Weg. Sie ist 2013 durch Zufall im Internet auf „Granny-Aupair“ gestoßen und hat sich aus reiner Neugier einfach angemeldet. Ihr Wunschziel war Italien, denn sie besucht schon seit über 10 Jahren regelmäßig einen Italienisch-Kurs. Sie hat das Land viel intensiver wahrgenommen, als wenn sie nur eine Touristin gewesen wäre. Sie war für 2 Monate dort und war begeistert darüber, wie die Familie miteinander lebt und umgeht. „So lernt man Menschen am besten kennen“, sagt sie.

2016 war sie auch für 6 Wochen in der Schweiz. Während sie in Italien noch mit ihrem italienischen Wortschatz und etwas deutsch viel verstehen und sich verständigen konnte, war es in der Schweiz schon etwas schwieriger. Schweizerdeutsch ist nicht einfach zu verstehen, gerade wenn es schnell gesprochen wird, aber die Gastfamilie gab sich größte Mühe Hochdeutsch zu sprechen.

Auch Sie hat mit ihren Gastfamilien viel unternommen. Ausflüge gehören genauso dazu, wie die Kinderbetreuung. Die Kinderbetreuung ist aber das Hauptaugenmerk, ebenso wie bei einer „richtige Oma“. Man lebt auch genau so mit den Familien zusammen. In einem eigenen Zimmer im Haus der Gastfamilie. Manchmal hat man sogar auch ein eigenes, kleines Bad.

Der Mailänder Dom. Foto: Edith Wacker

Gisela (68) war erst bei einer Gastfamilie im Ausland. Sie war 2019 für etwas über 6 Monate auf der grünen Insel Irland. Eigentlich wollte sie zuerst nur für drei Monate bleiben, aber da ihr die Gastmutter sofort sympathisch war, entschied sie sich, doch länger zu bleiben. Eigentlich wollte sie dieses Jahr wieder längerfristig dort bleiben, doch „COVID-19“ machte ihr einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Sie flog Anfang März zu ihrer Gastfamilie nach Dublin und reiste nach nur 10 Tagen, am St. Patrick’s Day, auch leider schon wieder zurück.

Sie ist genauso begeistert, wie alle anderen. „Jede, die noch etwas unsicher ist, empfehle ich einen „Intensiv-Workshop“ bei „Granny-Aupair“. Man bekommt da gute Eindrücke über das Leben in der Familie und kann einer erfahrenen „Granny“ auch Fragen stellen“, erklärt sie. Manchmal hat man auch die Möglichkeit mit der „vorherigen Granny“ einer Gastfamilie Kontakt aufzunehmen und da noch ein paar Fragen zu stellen.

Sie erzählt weiterhin über ihr Leben in der Gastfamilie, dass eine stets offene Kommunikation wichtig sei. Manchmal kann es einem ja unangenehm sein, wenn man nicht weiß, ob man sich jetzt auf die Couch dazu setzen soll oder sich lieber zurückziehen soll. Sie sagt, wie alle anderen auch, dass vieles für die Gastfamilien selbstverständlich ist. Heißt: Die Grannys wurden auf Familienausflüge mitgenommen, waren an Küchen- und Wohnzimmertischen immer willkommen (auch wenn sie eigentlich frei hatten) und wurden auch fast immer zum Essen eingeladen, wenn auswärts gegessen wurde.

Kost und Logis inklusive

Meist ist es so, dass Kost und Logis für das Aupair inbegriffen sind. Die Ausflüge, die man gemeinsam mit der Familie macht, werden meist ebenso mitbezahlt, sowie das gemeinsame auswärtige Essengehen. Alles genauso, als sei man ein richtiges Familienmitglied. Bei den Kosten für An- und Abreise ist es individuell von der Gastfamilie abhängig, ob die Kosten übernommen werden. Einige übernehmen die Kosten, andere wiederum nicht. Ähnlich verhält es sich mit dem Verdienst. Viele Gastfamilien bieten ihrer Granny ein „Taschengeld“ von 200€ bis 300€ im Monat an, ebenso wie Monatskarten für den ÖPNV oder sogar die Mitnutzung eines Autos. Dies ist aber wieder von Gastfamilie zu Gastfamilie unterschiedlich. Viele lehnen das „Taschengeld“ auch ab, weil sie der Meinung sind, dass „Oma auch kein Taschengeld“ bekommt. Sie sind gerne bei den Gastfamilien und die Erfahrung ist ihnen Lohn genug.

Am Flughafen von Dublin. Das Foto wurde aufgenommen als Gisela im März nach kurzer Zeit wieder zurück nach Deutschland fliegen musste. Foto: Gisela Zwick

Und genau darum geht es auch. Sich auf ein Abenteuer zu begeben und neue Erfahrungen zu sammeln, so wie Ingeborg, Edith und Gisela es getan haben. Für Menschen da zu sein und ein positives Bild von Liebe, Gemeinsamkeit und Offenheit in die Welt zu tragen. Alle stehen noch in gutem und regelmäßigem Kontakt mit ihren Gastfamilen. Einige haben ihre Gastfamilien danach noch ein paar mal besucht, natürlich bevor Corona ausbrach. Aber alle können es kaum abwarten, bis sie wieder „Oma auf Zeit“ sein dürfen.

Wie findet ihr so ein Aupair? Könntet ihr euch sowas vorstellen?

Eure Deichdeern

4 comments Add yours
  1. Oh Julia 🤗, das sind ja tolle Aussichten. Ich war vor 27 Jahren Aupair in England. Die Aussicht so etwas noch mal zu machen, begeistert mich. Was eine toller Ausblick in die Zukunft. Liebe Grüße Meike Scheffler 🌸

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