Kindergeschichte | Hanno und die Strohschweine

Moin und danke für euer Feedback auf die erste Kindergeschichte über die Kartoffel und Hauke Hinrichs von Tjorven auf dem Blog. Jetzt im zweiten Themenmonat zum Thema Schwein geht es weiter. Dazu hat Tjorven Rieke Ehlers interviewt. Wie immer: Die Geschichte ist fiktiv, die Höfe aber echt. In dem Fall sind wir mit der Geschichte zu Gast bei Familie Ehlers vom Hof Hudes in Niedersachsen.

Los gehts mit der Kindergeschichte. Viel Spaß beim (Vor-)lesen!

„Und was gibt es bei dir zum Mittag?“, fragt Heinz seine Sitznachbarin Lena. „Meine Mama macht Schnitzel mit Pommes“, sagt Lena und grinst Heinz an, „das esse ich am liebsten!“„Also ICH esse kein Kalb!“, ruft Anna aus der hintersten Ecke des Klassenraums. „Ich esse GAR KEINE Tiere!“, zetert Mia-Sophie. Sie nimmt eine Möhre aus ihrer offenen Brotdose und beißt energisch ab. Es knackt kurz laut. Gerade in Regenpausen wie dieser, in der die 2a in ihrem Klassenzimmer bleiben darf, wird es hier oft ziemlich laut. Manchmal ist es sogar so laut, dass Hanno seinen Sitznachbarn Karim nicht mehr verstehen kann.

„Schnitzel ist doch nicht vom Kalb“, flüstert Karim ihm zu. „Das ist vom Schwein.“ Doch das hat niemand außer Hanno gehört. Karim schreit nicht, aber er nimmt sowas sehr genau, denn niemand aus seiner Familie würde je auf die Idee kommen Schwein zu essen. In seiner Religion, dem Islam, gilt Schwein als „unsauber“. Deshalb weiß Karim ganz genau was aus Schweinefleisch gemacht wird und was nicht. „Da ist doch sowieso Pferd drin!“, ruft ein Junge auf einmal und ein paar Mädchen kreischen. „Die denken jetzt sicher an ihre Ponys“, flüstert Hanno und Karim zieht eine Grimasse neben ihm. Dann grinsen sie sich an. „Also das ist doch ganz einfach!“, sagt Klassensprecherin Herma, die sich auf einen der Tische gestellt hat, „Falls ihr es noch nicht wusstet, das Schnitzel kommt mittlerweile aus dem Labor!“

Lasse und Paul stehen vor Hermas Tisch und johlen, ein paar Mädchen klatschen. Dann räuspert Kaspar sich von ganz hinten und ruft zu Herma rüber: „Werte Klassensprecherin, es tut mir leid Sie enttäuschen zu müssen, aber bei uns kommt das Schnitzel aus der Gefriertruhe!“ Nun müssen auch Hanno und Karim lachen. Der Witzbold Kaspar wird nicht umsonst „Klassenclown“ genannt. „NEIN – es kommt aus dem Labor!“, brüllt Herma ihn an, sie hat sich vor Kaspars Tisch gestellt und ihr Kopf wird so rot wie ein Ampelmännchen. „Aus dem Supermarkt!“, grölt jemand von vorne. Nun rufen sie alle wild durcheinander: „Vom KALB!“ „Vom PFERD!“ „Von der KUH!“ „Vom SCHWEIN!“ „Vom HUND!“

Bei dem ganzen Geschrei bemerkt keiner von ihnen, dass Frau Petersen in den Klassenraum kommt. Die Klassenlehrerin verzieht das Gesicht. Aber auch Frau Petersen schreit nicht, dafür hat sie eine kleine Klingel, die so schrill ist, dass sie sogar den Pausengong übertönt. Als das Getuschel und Gewusel noch immer nicht aufhört, bis sie vor der Tafel steht, holt sie die kleine silberne Tischklingel aus der Schublade ihres Holzpults. Es macht Kl—iiiiiii—iiii—nnn-ggg. Blitzschnell ist es still in der Klasse. Hermas Kopf wird kirschrot und Kaspar hört mit einem letzten Kllll—ooo—ng auf, auf seiner Tischplatte herum zu trommeln.

„Was um alles in der Welt ist hier denn schon wieder los?“, fragt Frau Petersen. Wie auf Kommando streckt Herma ihren Arm in die Höhe. Manchmal sieht das so aus, als würde sie versuchen mit ihren Fingerspitzen an die Decke zu fassen, denkt Hanno. Als sich sonst niemand meldet, nimmt Frau Petersen Herma dran, bevor sie anfangen kann unruhig mit ihren Fingern zu schnipsen. „Wissen Sie wir haben diskutiert wo das Schnitzel herkommt, weil es das heute bei Lena zu essen gibt.“ „Soso und wieso wart ihr dabei so laut?“, fragt Frau Petersen, die sich mit ihren Fingern die Stirn massiert, „Diskutieren könnt ihr auch ohne zu schreien.“

Hanno weiß, dass sie es nicht mag, wenn es laut in der Klasse wird. Seine Mama sagt Erwachsene, die viel zu tun haben, bekommen schnell diese Migräne-Kopfschmerzen. „Nun ja, weil wir uns nicht einig sind wo unsere Schnitzel herkommen.“, erklärt Herma. „Wie meinst du das Herma? Wo kommt das Schnitzel deiner Meinung nach denn her?“, fragt Frau Petersen und lässt ihren Stirn-Massage-Finger sinken. „Ich weiß, dass das Schnitzel aus dem Labor kommt.“, sagt Herma, „Darüber haben meine Mama und ich eine Reportage gesehen.“ „Da hast du recht, Forscher versuchen wirklich Fleisch im Reagenzglas zu züchten.“, pflichtet Frau Petersen ihr bei.„Seht ihr, ich sag es doch!“, sagt Herma und nickt den anderen zu.

„Aber Frau Petersen wie soll das denn funktionieren?!“, tönt Kaspar aus der letzten Reihe. „Dafür Kaspar versuchen die Wissenschaftler tierische Stammzellen in Kalbsblut zu vermehren. Das reicht aktuell aber nur für einen sehr teuren Hamburger.“, sagt Frau Petersen. „Hah! Hab‘ ich doch gesagt KALB!“, tuschelt es aus der vorletzten Sitzreihe. „Was sind denn Stammzellen Frau Petersen?“, fragt Hanno verdutzt. „Stammzellen sind besondere Zellen. Sie sind wenn man so will wie ein Lego-Bausatz für bestimmte Bausteine im Körper.“, erklärt Frau Petersen. „Müssen dafür Tiere sterben?“, fragt Mia-Sophie, die seit der ersten Klasse überzeugte Vegetarierin ist.

„Für eine Stammzellen- oder Blutspende nicht, aber für ein herkömmliches Schnitzel, wie für jede andere Sorte von Fleisch, ja.“, sagt Frau Petersen, die sich mittlerweile hingesetzt hat. „Aber nun mal Hand aufs Herz, wisst ihr denn wirklich nicht, dass ein Schnitzel meistens aus Schweinefleisch gemacht wird?“ Es bleibt ruhig in der 2a, auch Karim und Hanno schweigen. Natürlich wissen sie, dass im Schnitzel Schweinefleisch ist, aber rausposaunen wollen sie das nun auch wieder nicht. „Passt auf, mir kommt da gerade eine Idee. Wenn ihr mir versprecht, dass es ruhig bleibt, solange ich weg bin, bespreche ich mich kurz mit der Schulleitung.“

Als alle nicken und keine Widerworte fallen, steht Frau Petersen auf und verlässt den Klassenraum. Hanno fragt sich, was sie vorhat und auch der Rest seiner Klasse scheint verwirrt zu sein. Keiner traut sich zu sprechen, nicht einmal zu tuscheln. Vielleicht sind sie beleidigt, dass sie fast alle falsch lagen, denkt Hanno. Und bevor er in Gedanken versinken kann, steht Frau Petersen wieder in der Tür. Mit einem kleinen Bündel von Papierblättern geht sie wortlos von Tisch zu Tisch und gibt jedem einen Zettel. Hoffentlich keinen schweren Arbeitsbogen, denkt Hanno. Doch als er an der Reihe ist, atmet er aus. „Ihr habt nun alle einen kleinen Zettel für einen Klassenausflug bekommen. Wenn ihr mögt, dann fahren wir nächste Woche zusammen auf einen Schweinehof und schauen uns an, wo das Schnitzel herkommt. Ich zwinge niemanden, wer nicht mitkommt, der wird in der Zwischenzeit andere Arbeitsblätter bekommen. Wer aber mitmöchte, der bespricht diesen Ausflug mit seinen Eltern und bittet sie den Zettel zu unterschreiben.“, erklärt Frau Petersen, „So und nun können wir mit dem Unterricht anfangen. Wer möchte die Hausaufgaben vorlesen?“

Nach Schulschluss laufen Karim und Hanno zusammen nach Hause. „Wie findest du die Idee von Frau Petersen?“, fragt Hanno seinen Freund. Irgendwie ist Hanno unwohl, vielleicht mag Karim ja auch gar keine Schweine angucken, wenn er sie sonst „unsauber“ findet. Karim schaut Hanno an: „Also ich finde die Idee gut, so verwechselt das niemand mehr. Und ich muss sie ja trotzdem nicht essen Hanno.“ Da hat Karim natürlich recht, denkt Hanno. Als Hanno neben seiner Schwester am Mittagstisch sitzt, schiebt er Mama den Zettel von Frau Petersen zu. „Das haben wir heute in der Schule bekommen. Ich möchte bei dem Ausflug mitmachen und gucken wo das Schnitzel herkommt.“, sagt Hanno. Mama schaut den Zettel kurz an und lächelt. „Natürlich darfst du da mitmachen! Das ist aber eine schöne Idee von Frau Petersen.“ „Wo kommt das Schnitzel denn her Mama?“, fragt Ella und beißt von ihrem Knack-Würstchen ab. „Schnitzel werden genauso wie die Wurst, die du da isst, aus Schweinefleisch gemacht, Liebling.“, sagt Mama. „Achso.“, sagt Ella, „und was guckt Hanno sich da an?“ – „Hanno guckt sich an, wo und wie die Schweine wohnen.“, sagt Mama.

„Das ist gemein! Ich will das auch sehen!“, sagt Ella und verschränkt die Arme vor der Brust. Doch bevor Ella trotzig werden kann, streicht Mama ihr eine Locke aus der Stirn und sagt: „Nicht traurig sein, Ella. Hanno wird uns sicher alles erzählen und wir fahren sonst nochmal mit Papa hin, wie klingt das? Und vielleicht fragen wir Oma in der Zwischenzeit und zaubern uns ein leckeres Schnitzel?“ „JA!“ Ella strahlt Mama an. „Und POMMES, Mama!“ Mama und Hanno lachen. Seit Ella weiß wie Pommes gemacht werden, kann sie gar nicht mehr genug davon kriegen.

Tipp für Vorleser: Hier unterbrechen, um die Geschichte in Etappen zu lesen

Der Ausflug auf den Schweinehof

Am nächsten Donnerstag ist es soweit. Ein großer roter Bus parkt an der Bushaltestelle vor der Grundschule. Frau Petersen steht an der Bustür und zählt die Kinder durch. Für jeden, der einsteigt, macht sie einen Haken auf ihrer Liste. Hannos Bauch kribbelt, als er neben Karim sitzt. Der Bus ist voll und es kommen alle mit. Selbst Mia-Sophie ist dabei und sitzt neben Herma ganz vorne, direkt hinter Frau Petersen. „Hallo zusammen, heute fahren wir auf einen sehr alten Bauernhof. Er ist über tausend Jahre alt und schon seit über 420 Jahren im Besitz von Familie Ehlers. Rieke Ehlers, eine Junglandwirtin, wird uns über den Betrieb ihrer Eltern führen. Sie lebt dort mit ihrer Familie und ihrem Freund und 2000 Mastschweinen zusammen. Ihr dürft ihr alle eure Fragen stellen. ABER wir bleiben heute ganz ruhig und rufen nicht durcheinander. Okay?“ „Jaaaa, Frau Peee-teeer-seen.“, sagen Hanno und die anderen im Chor und Frau Petersen setzt sich zufrieden auf ihren Sitzplatz.

Es dauert eine Weile, bis sie auf der Autobahn sind. Frau Petersen hat erzählt, dass Rieke und ihre Familie in einem kleinen Dorf namens Holtum-Geest in Niedersachsen wohnen. Während Hanno die Bäume und Felder hinter dem Fensterglas vorbeifliegen sieht, fragt er sich wie eine große Familie mit so vielen Schweinen unter ein und demselben Dach wohnen soll – da muss diese Rieke aber schon sehr viel Platz haben. Nach einer halben Ewigkeit fährt Busfahrer Bernd auf eine staubige Auffahrt. Hier stehen viele große Bäume mit rissiger Rinde um ein großes Backsteinhaus. Durch die Äste blitzen noch ein paar versteckte Dächer. Das ist ja wie ein eigenes Dorf hier, denkt Hanno. Also wohnt sie doch nicht mit all den Schweinen unter einem Dach! Aus der Tür des großen roten Hauses kommt ein Mädchen mit braunen Haaren und einer Brille auf den Bus zugelaufen. „Seid artig, ja?“, flüstert Frau Petersen ihnen über die Schulter zu, bevor sie aufsteht und Rieke im Bus begrüßt.

„Hey! Mein Name ist Rieke und ich zeige euch heute unseren Hof!“, sagt das Mädchen, „In dem Haus da vorne wohne ich mit meinen Eltern und meinem Freund Peter. Gleich neben an, in dem weißen Haus wohnt meine Oma. Die kocht vor allem in der Erntezeit noch oft für uns. In dem alten Fachwerkgebäude gegenüber von unserem Wohnhaus haben wir ein paar Maschinen und eine Werkstatt. Ich mag dieses Gebäude besonders gerne, weil es wie unser Hof mehrere hundert Jahre alt ist. So nun aber genug von der Geschichte unseres Hofes! Ihr seid ja hier um die Schweine zu sehen! Wir fahren jetzt noch ein bisschen weiter und dann zeige ich euch unsere Schweine im Offenstall.“ „Warum wohnen die denn nicht hier?“, fragt Lena.

„Ein paar unserer Schweine wohnen hier auf dem Hof, ein Stück weiter raus haben wir noch ein Gelände mit Ställen. Den haben meine Großeltern damals nicht hier bauen können, weil sich unser Dorf vergrößert hat und hier kein Platz mehr war. Ein bisschen außerhalb, im Nachbardorf, haben wir noch einen Offenstall und dort können wir am dichtesten mit euch an die Schweine ran, deshalb fahren wir dort hin.“ „Dauert das laaangee?“, fragt Kaspar genervt. Lange stillsitzen mag Kaspar nicht, das weiß jeder in der 2a. „Nein, das dauert bloß acht Minuten mit dem Auto. Ihr habt es gleich geschafft.“, sagt Rieke und zwinkert ihm zu, dann setzt sie sich auf den freien Sitzplatz neben Frau Petersen. Und sie hat recht, die Fahrt vergeht wie im Flug. Eh sich Hanno versieht, hält der Bus in der Nähe eines roten Stallgebäudes. Als der Busfahrer die Türen öffnet, stellt sich Rieke noch einmal hin und sagt: „Bevor wir über den Hof laufen können, müssen wir alle gemeinsam mit unseren Gummistiefeln über eine Hygienematte laufen.“ „Warum müssen wir das machen?“, fragt Herma, die Dinge immer ganz genau wissen möchte.

„Das müssen wir machen, weil wir sonst Bakterien und anderen Schmutz über unseren Hofplatz tragen würden und unsere Schweine dadurch krank werden könnten“, erklärt Rieke ihr. Sie steigt aus dem Bus aus und läuft voraus über eine rechteckige Matte, die dicht an der Hauswand in einer kleinen Wanne steht. Sqatsch – Patsch macht es, als Hanno mit seinen Gummistiefeln über die Matte läuft. Dieses Geräusch ist irgendwie witzig, findet er. „Deshalb können wir auch nicht direkt in die Ställe reingehen. Weil selbst wir Schweinebauern sehr stark aufpassen müssen, dass wir nichts schmutzig machen. Vor jedem Stall gibt es eine Hygieneschleuse, in der wir unsere Stallkleidung anziehen und duschen können. Wir dürfen auch unsere Arbeitskleidung nicht von einem Stall in den nächsten mitnehmen, weil die Schweine sich sonst untereinander krankmachen können. Dann würden wir den Schmutz von einem Stall in den nächsten Tragen“, erklärt Rieke und erzählt im Gehen, „gerade jetzt gibt es eine gefährliche Krankheit unter den Wildschweinen, die auch unsere Hausschweine sehr krankmachen kann.“

„Hausschwein? Aber die wohnen doch gar nicht mit dir im Haus!“, Kaspar kann sich sein Lachen nicht mehr verkneifen. Irgendwie müssen auch Hanno und die anderen fast lachen, dieser Name ist schon irgendwie komisch. Frau Petersen räuspert sich einmal und sie hören auf zu albern. „Ja, so heißen die Schweine, die nicht mehr wild sind und ‚am Haus‘ wohnen. Unsere Schweine haben, wenn du so willst, alle ein eigenes Haus, das haben Wildschweine ja nicht.“, sagt Rieke. „Was ist denn ein Strohschwein?“, fragt Kaspar nun etwas ernster. „Ein Strohschwein ist ein Mastschwein, das auf Stroh gehalten wird.“, sagt Rieke.
„Bekommt nicht jedes Schwein Stroh?“, fragt Mia-Sophie.

„Nein, nicht jedes Schwein hat ein Strohbett, das ist etwas Besonderes. Die meisten konventionellen Schweine werden auf Betonspaltenböden gehalten. Auch wir haben hier noch solche Ställe.“, sagt Rieke, „Wir müssen jetzt ein kleines Stück laufen und dann könnt ihr endlich die Schweine angucken.“ In zweier Gruppen läuft die 2a hinter Rieke hinterher. Ganz hinten läuft Frau Petersen und passt auf, dass niemand trödelt. „Aber das ist doch ungemütlich!“, meint Herma zu Rieke, „Also, wenn ich auf Beton schlafen müsste – ich würde das jetzt nicht so toll finden.“ „Betonspalten können auf Dauer wirklich unbequem sein,“, sagt Rieke, „deshalb wollen wir unsere alten Ställe nach und nach umbauen. Wir versuchen gerade Genehmigungen für Ausläufe zu bekommen, um allen unseren Schweinen Abwechslung anzubieten. Dann könnten auch unsere Betonspalten-Schweine draußen auf Stroh spielen. Aber Beton ist auch nicht immer schlecht. Wenn es zu warm im Stall wird, dann liegen die Schweine in unserem Offenstall statt im warmen Stroh lieber auf dem kühlen Beton.“ Dann bleibt Rieke vor einem Gitter stehen, unter einem Stalldach liegt eine dicke Strohschicht auf dem Boden.

„Das ist unser Offenstall, der heißt so, weil er zu einer Seite hin offen ist und die Schweine so Frischluft schnuppern können. Die anderen Schweineställe sind geschlossen.“, erklärt Rieke. Wo sind bloß die Schweine?, wundert sich Hanno. Plötzlich saust ein kleines Schwein durch eine versteckte Tür in das Strohnest. Feine Strohhalme wirbeln durch die Luft, als der Rest der Ferkel-Gruppe durch die Strohhaufen hopst. Ihre großen Ohren fallen ihnen vor die Augen. Neugierig strecken sie ihre Stummelschwänzchen und Rüssel in die Höhe. „Oh sind die süß!“, kreischen die Mädchen und ein paar Jungs rollen mit den Augen. Das die Mädchen immer so kreischen müssen, denkt Hanno, da bekommt auch ein Grundschüler Kopfschmerzen. Auch die Schweine bremsen ihren Sprint ab und gucken die Mädchen verwirrt an. Dann sind alle ganz still. Fast so, als würden sie das Spiel „wer-zuerst-zuckt“ spielen, denkt Hanno und schaut die Rüssel der Schweine an, die ein bisschen aussehen wie eine Steckdose.

Tipp für Vorleser: Hier unterbrechen, um die Geschichte in Etappen zu lesen

„Wo sind denn die Mamas von den Kleinen?“, fragt Leo auf einmal. „Die Muttersauen wohnen auf einem anderen Bauernhof ein paar Dörfer weiter. Dort werden die Ferkel geboren und verbringen die ersten 28 Lebenstage mit ihren Geschwistern bei ihrer Mutter in einer Abferkelbox. Danach leben sie noch sechs Wochen in einer Art Ferkel-Kindergarten-Gruppe mit anderen Schweinekindern zusammen. Erst wenn sie etwa 10 Wochen, also etwas mehr als zwei Monate alt sind, kommen sie zu uns auf den Hof.“ „Dann sind das ja noch Babys, wenn sie hier einziehen.“, denkt Karim laut. „Nun ja, also Schweine wachsen viel schneller, als wir Menschen. Mit zehn Wochen wiegen die Schweine schon zwischen 25 und 30 Kilogramm. Das ist in etwa so schwer wie einer von euch.“, erklärt Rieke ihm.

„Wie viele Ställe hast du Rieke?“, fragt Hanno, aber da hat Kaspar schon von der Seite rein gerufen: „Warum meintest du eben, dass du Genehmigungen für so einen Stall brauchst? Mein Baumhaus hab‘ ich auch einfach so mit Papa gezimmert!“ „Stopp, Stopp, Stopp! Was haben wir gesagt? Einer nach dem anderen“, ermahnt Frau Petersen die beiden von hinten. Sie hätte sicher gerne ihre Klingel mitgenommen, denkt Hanno, aber die hätte vermutlich auch alle Schweine vertrieben. „Also wir haben vier konventionelle Stallgebäude mit Betonspalten, einen Strohstall und diesen Offenstall hier, also insgesamt sechs Stallgebäude“, sagt Rieke, dann erklärt sie, „Wir brauchen für alles eine Genehmigung. Ich darf mir leider nicht einfach auf eigene Faust einen Stall bauen wie ich lustig bin. Aber das ist auch gut so, damit jedes Tier wirklich den Platz bekommt, den es haben muss. Das ist streng geregelt. Ein bisschen schwierig ist es aber auch, weil ich vielleicht keinen Auslauf bauen darf. Denn in einem Auslauf machen meine Schweine höhere Emissionen und belasten die Umwelt stärker.“ „Was sind denn diese Emissionen?“, fragt Mia-Sophie.

Vom Ferkel zum Mastschwein. Illustrationen von Tjorven Boderius

„Das ist doch ganz einfach Mia!“, meint Herma zur ihr, „Äh—also, wenn eine Kuh pupst, dann ist da Methan in der Luft, so wie wenn du pupst. Und das sind Emissionen und zu viel Pups ist nicht gut für die Bäume und Pflanzen.“ „Stimmt, das hast du schon recht gut erklärt. Bei Schweinen heißt dieser Übeltäter aber vor allem Ammoniak.“, sagt Rieke, „Wir wollen in Zukunft gerne alle unsere Schweine auf Stroh halten, aber das geht leider nicht von heute auf morgen. Wenn wir die Genehmigung nicht bekommen, dann können wir leider auch nicht einfach auf unsere Betonspaltenställe verzichten. Ansonsten würden wir nicht genug Geld verdienen.“ „2000 Schweine sind aber ganz schön viieeeel!“, sagt Mia-Sophie.

„Eigentlich könnten wir noch viel mehr Schweine halten, denn unsere Schweine bekommen fast alle mehr Platz, als wir ihnen offiziell geben müssen. Diese 200 Offenstall-Schweine haben eineinhalb Quadratmetern pro Nase Platz, das ist mehr als doppelt so viel Platz, wie vorgeschrieben. Auch unsere 250 Strohschweine haben fast so viel Platz.“ „Und was ist mit den Betonpalten-Schweinen!?“, fragt Herma. „Da versuchen wir den Tieren auch mehr Platz zu geben als wir müssten. Dafür machen wir bei der sogenannten Initiative Tierwohl mit. So bekommen wir Landwirte ein bisschen mehr Geld für das Fleisch unserer Tiere, wenn wir ihnen dafür ein bisschen mehr Platz geben, als wir eigentlich müssten. Das Geld bekommen wir, weil wir so weniger Tiere verkaufen können.“, erklärt Rieke. „Ach so, und was macht so ein Luxus-Platz-Schwein den ganzen Tag? Ein Haufen Stroh ist doch langweilig irgendwann.“, meint Mirco und lässt eine Kaugummiblase platzen. „Schweine lieben es, so wie du, auf Dingen herum zu kauen.“, sagt Rieke und der Rest der 2a lacht.

„Aber die kauen doch nicht auf einem Minz-Kaugummi rum!“, ruft Kaspar. „Nein, sie kauen lieber auf Stroh, oder anderen Dingen rum, die sie mit ihren Zähnen verformen können. Unsere Schweine bekommen zum Beispiel neben dem Stroh, Holzstücke, die an Ketten im Stall hängen oder Kauteile aus Gummi. Dann haben sie auch noch Bleche, an denen sie sich ihren Po oder Rücken kratzen können. Manchmal bekommen sie auch einen Ball und spielen Schweine-Fußball. Einmal die Woche füllen wir das Strohbett mit einem großen Strohballen auf, so ein Ballen wiegt 300 Kilogramm, das ist ungefähr so viel wie ein Eisbär-Mädchen.“ Nachdem sie den Schweinen noch eine Weile beim Spielen zugeguckt haben, fahren sie mit dem Bus zurück zu Riekes Haus. „Verkaufst du jetzt hier überhaupt auch Schnitzel, oder nicht?“, fragt Kaspar sie ungeduldig.

Spielzeug für die Schweine. Es gibt noch viel mehr mögliche. Hättet ihr Lust selbst welche zu entwerfen?

„Kommt, dann zeige ich euch jetzt noch zum Abschluss unseren Hofladen!“, sagt Rieke und die 2a folgt ihr neugierig um die Ecke des Backsteinhauses, „Die Schweine bleiben zwischen dreieinhalb und viereinhalb Monaten bei uns, dann wiegen sie ungefähr 120 Kilogramm, also ungefähr so viel wie vier Grundschüler. Geschlachtet wird der Großteil von ihnen dann auf einem Schlachthof, der etwa eine Stunde entfernt von hier ist. Ein oder zwei Schweine fahren wir dann meistens selbst zu einem Schlachter ins Nachbardorf. Das ist ein kleiner Hausschlachter. Aus dem Fleisch macht er uns dann zum Beispiel leckere Wurst im Glas, Mettwurst, Leberwurst und Sauerfleisch.“ „Und was ist mit SCHNITZEL?!“, fragt Kaspar. Im Hofladen stehen Eier, Marmelade und viele bunte Wurstgläser, aber Schnitzel kann Hanno nirgends entdecken. „Frau Petersen hat mir schon erzählt, dass ihr eigentlich auf der Suche nach dem Schnitzel seid. Auch Schnitzel aus Kalbsfleisch ist eine Delikatesse in teuren Restaurants, aber ..:“ „Hah – sag ich doch KALB!“, ruft ein Mädchen. Hat Frau Petersen etwa geflunkert und Schnitzel wird gar nicht aus Kalb gemacht? „Schhhhhhttt – Ruhe jetzt und seid nicht unhöflich.“, zischt Frau Petersen.

Rieke holt noch einmal Luft und erzählt weiter: „Schnitzel kann auch aus Kalbsfleisch gemacht werden. Aber die meisten Schnitzel werden tatsächlich aus Schweinefleisch gemacht. Noch haben wir kein Frischfleisch im Angebot, aber ich möchte hier auch bald Fleisch für Schnitzel anbieten.“

„Cool! Dann komm ich wieder!“, sagt Kaspar und Rieke lächelt. „Das darfst du sehr gerne, dann haben wir vielleicht auch schon Guckfenster in den Stall eingebaut und ihr könnt die Schweine noch besser beobachten.“, sagt sie. Bevor alle Kinder wieder in den Bus einsteigen, rufen sie im Chor „Daaaankeeee Riiiieeekee!“ Dann winken sie Rieke zum Abschied durch das Busfenster zu. „Hast du gesehen wie sauber das da war?“, flüstert Karim, als der Bus schon auf der Landstraße fährt. „Ja“, sagt Hanno, „das habe ich mir auch irgendwie schmutziger vorgestellt.“ Zurück an der Schule holt Papa Hanno und Karim ab. Er nimmt die Rucksäcke der beiden Huckepack und fragt: „Und Jungs, wie war euer Ausflug?“ – „Spannend!“, sagt Hanno. „Das fand ich auch“, meint Karim, „ich habe heute viel gelernt.“ „Das kann ich mir vorstellen! Ich finde es wirklich toll, dass ihr diesen Ausflug mitgemacht habt“, sagt Papa.

Als sie in der Haustür stehen, flüstert Papa: „Mama und Ella haben eine Überraschung für euch.“ Jetzt können die beiden ihre Schuhe und Jacken gar nicht schnell genug ausziehen. Bei „Überraschungen“ werden Hanno und Karim. Papa steigt mit einem Seufzer über ihr Zeug hinweg, dass sie wie Kraut und Rüben auf dem Boden liegen gelassen haben. Hätte er doch bloß einen Moment gewartet, denkt er und schmunzelt. In der Küche steht Ella auf einem Hocker vor dem Herd. Sie grinst Hanno und Karim an. „Guckt ich hab Schnitzel gemacht!“, sagt sie. Bevor Hanno traurig werden kann, weil Karim nun hungrig bleiben muss, schaut Mama hinter Ella hervor: „Keine Sorge für Karim haben wir ein ganz besonderes Schnitzel.“ Als sie alle zusammen am Tisch sitzen, bekommt Karim als erster sein Schnitzel aufgefüllt. „Das ist nicht mit Kalb, aber mit Sellerie, also Gemüse – ein Spezial-Tipp von unserer Oma.“, sagt Mama zu ihm. „Ist genauso wie unser Schnitzel!“, sagt Ella, „das hat nur vor unserm im Ei und dann in Brotkrümeln gebadet.“ „Wie meint Ella das Mama?“, fragt Hanno skeptisch. Ein Schnitzel kann doch nicht baden!

„Ella meint die Panade. Das ist die Kruste vom Schnitzel. Wenn man Schnitzel macht, dann wird das Fleisch ganz dünn geklopft. Die Sellerie musste ich natürlich nicht klopfen. Aber beides haben wir in Ei getunkt und danach in Paniermehl, also ganz feinen Brotkrümeln, gewendet. Und wenn es paniert ist wird es nur noch gebraten.“, erklärt Mama ihm. „Und schmeckt es euch?“, fragt Papa. Doch da haben Hanno und Karim sich gerade beide ein großes Stück Schnitzel in den Mund gesteckt. Und auch Ella hat ihren Mund voll mit Pommes. Mit vollen Hamsterwangen und einem Strahlen in den Augen nicken sie Papa an. Dann wird es bis auf leises Schmatzen mucksmäuschenstill am Tisch, bis alle Teller blitzblank leergefuttert sind. Wenn das doch nur immer so wär‘, denkt Mama.

Rieke Ehlers und ihr Freund Peter

Die 2a hat ihren Klassenausflug auf den Hof Hudes in Holtum-Geest gemacht. Hier wohnt Familie Ehlers, das sind Papa Jörn und Mama Maren mit ihren Kindern Rieke und Christian und Riekes Freund Peter. Nebenan wohnt auch Oma Helga, die immer noch auf dem Hof mit Rat und Tat oder Pausen-Stärkung unterstützen.

Hier gibt es noch Ausmalbilder für die Kleinen

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