Familie Kreutzfeldt wagt im Kronprinzenkoog den Melonen-Anbau. Nun hatten wir die Möglichkeit, Inga, Jana und Jonna Kreutzfeldt zur Feldneuheit in Dithmarschen zu interviewen.
Mein Heimat-Landkreis Dithmarschen an der Nordsee ist eigentlich für den Anbau von Kohl bekannt, denn er gilt mit seinen mehr als 3.000 Hektar Kohl als das größte zusammenhängende Kohlanbaugebiet Europas. Jährlich werden hier rund 80 Millionen Kohlköpfe, das sind mehr als 600 Stück pro Dithmarscher, geerntet. Kurzum: Kohl ist hier nicht nur zu den Kohltagen omnipräsent. Vielleicht ein Grund, warum einige Nachbarlandkreise uns Dithmarscher sogar mit dem Spitznamen „Kohlköpfe“ necken.
Umso skurriler die Vorstellung für mich, dass ein Landwirt auf die Idee kommen könnte, das Feldgemüse gegen eine subtropische Feldfrucht auszutauschen. Doch zwischen Kohlfeldern im Kronzprinzenkoog wurden kürzlich Melonen in Nordseenähe gesichtet. Dieser Meldung bin ich auf den Grund gegangen. Und so viel sei verraten: Es handelt sich nicht um Fake-News.
„Die Melonen des Nordens“ steht auf einem unscheinbaren roten Holzhäuschen an der Nordseestraße geschrieben, von denen es hier auf dem Land eigentlich an jeder Ecke mindestens eins gibt. Aber eine normale Selbstbedienungs-Hofladenhütte ist das hier im Kronprinzenkoog trotzdem nicht, denn neben dem Parade-Gemüse Kohl liegen tatsächlich Wassermelonen.
Woher kam die Idee, Melonen an der Nordsee anzubauen?
Als ich auf dem Hof Kreutzfeldt ankomme, brennt mir eigentlich erstmal nur eine Frage unter den Nägeln: „Wie kommt man auf die Idee, hier Melonen anzubauen?“, frage ich Inga Kreutzfeldt. Sie grinst und meint: „Wegen unserer Kinder. Unsere Töchter Jana und Jonna lieben Melonen und so kam die Idee, Melonen anzupflanzen, ganz von alleine.“ Die neunjährige Jana und ihre sechsjährige Schwester Jonna sind die jüngsten Bewohnerinnen des Hofes und vertilgen, seit ihre Eltern Ole und Inga Kreutzfeldt Melonen anbauen, jede mindestens eine der Früchte pro Tag. Ihre Söhne Julian (20 Jahre) und Jonas (13 Jahre) würden zwar auch Melonen mögen, aber statt sie zu verköstigen, lieber Papa Ole beim Trecker fahren und auf dem Feld helfen, erklärt Inga.

Angefangen hat alles vor etwas mehr als einem Jahr mit 100 Melonen-Pflanzen unterschiedlichster Sorten unter einem Folientunnel. „Dieses Jahr haben wir 250 t Melonen von unserem 3,2 Hektarfeld geerntet“, sagt Ole Kreutzfeldt. Auf dem Großteil des Feldes wachsen Wassermelonen in hell, dunkel und getigert. Dazwischen finden sich die Zuckermelonenarten Galia und Charentais. Während die Galia-Melonen honigmelonenartig sind, erinnert die französische Gourmetmelonensorte Charentais auf den ersten Blick an einen Kürbis. „Nicht nur wir experimentieren noch, auch der Verbraucher muss sich an die vielfältigen Melonensorten erst herantasten“, sagt Inga Kreutzfeldt und meint, dass das Kaufverhalten im Hofladen zeigen würde, dass neue Sorten Gewöhnungszeit benötigten. Ihre Stammkunden würden statt der bekannten dunklen Wassermelone immer öfter zur helleren greifen. Wobei Erstkunden eher die Finger von diesen Melonen ließen, weil sie ihnen auf den ersten Blick suspekt seien.
Inga Kreutzfeldt muss schmunzeln, weil gerade die hellere Variante der geschmackliche Favorit der ganzen Familie Kreutzfeldt ist: „Am Anfang hat der Einzelhandel einen Schwung dieser Melonen reklamieren wollen, weil auch das Fruchtfleisch blasser ist als das der dunklen Wassermelone. Dabei ist die Melone sogar noch viel süßer, als die dunkle, die jeder kennt.“
Was brauchen Melonen, um zu wachsen?
So wirklich daran geglaubt, dass Melonen in der Marsch von Dithmarschen gedeihen können, hat auch auf dem Hof Kreutzfeldt zunächst niemand. „Als mein Mann mit der Idee um die Ecke kam, habe ich gedacht, das klappt nie!“, erinnert sich Inga Kreutzfeldt. Sie erzählt davon, dass ihr Mann mit seinem unkonventionellen Unterfangen auch den Pflanzenlieferant überrumpelt hat. „Das war für uns alle Neuland“, meint sie. Genau genommen: Für alle außer einen, denn auf dem Hof Kreutzfeldt gibt es einen Melonen-Spezialisten, den gebürtigen Rumänen Remus. Mit Remus, der bereits in seinem Heimatland Melonen angebaut hat, tastete sich die Familie nach und nach voran. Damit ihre Melonen überhaupt wachsen konnten, hat sich der Hof mit einem Imker zusammengetan. Denn die Pflanzen bestäuben sich nicht selbst und sind auf die Mithilfe von Bienen angewiesen.
Mittlerweile hat sich gezeigt: Melonen und Marsch das geht eigentlich ganz gut! Denn nun sind die Hallen und der Hof der Familie voller Melonen und das Feld so gut wie leer. Die Bewässerung ist inzwischen abgebaut und auf dem Acker liegt nach dem Erntestart vor drei Wochen nur noch ein Restbestand. Zwischen den Pflanzreihen wuchert Ackerbegleitflora – oder zu normaldeutsch „Unkraut“ –, sodass die Fläche auf den ersten Blick so wirkt, als würde hier so gar nichts nach Plan laufen.
„Wir hätten das Unkraut gern von Anfang an entfernt, aber Remus hat protestiert. Nachdem wir lange diskutiert haben, ist es als Schattenspender geblieben“, erklärt Inga Kreutzfeldt. Was genau Melonen neben Wasser, Bienen, Nährstoffen, gutem Boden, Wärme und Unkraut benötigen, das versucht die Familie gemeinsam mit ihrem Melonen-Feinschmecker-Nachwuchs und der rumänischen Expertise nach und nach durchs Experimentieren herauszufinden.
Was erschwert den Anbau von Melonen?
In und an den Melonen bedienen sich Hasen und Vögel selbst, erzählt mir Inga Kreutzfeldt. Solange die Pflanzen in der Anfangszeit unter den Folientunneln geschützt sind, ist das Ausmaß der Pickschäden noch klein. Aber sobald die Melonen freiliegen, würden die Vögel zu einem echten Problem werden, erklärt sie. Um Krähen und andere Vögel von ihren Melonen fernzuhalten, setzt die Familie daher auf eine Warnschussanlage. Das Knallen der Anlage habe aber schon des Öfteren für Unmut in der Nachbarschaft gesorgt.
Neben Vögeln fressen auch Hasen an den Melonenpflanzen, für die es aber eine geräuschlose Abhilfe, in Form eines Strom-Zauns aus Netzgeflecht, gibt. Neben Pick- (Vögel) und Fraßschäden (Hasen) schmälern Trittschäden durch die Familie selbst die Ausbeute. Theoretisch können an einer Pflanze zwischen drei und fünf Melonen wachsen, praktisch sterben aber viele Triebe vorher ab: Denn die trittempfindlichen Triebe verzweigen sich so dicht, dass sich kaum vermeiden lässt, im Feld darauf zu treten.
Wann ist eine Melone reif?
Wer kennt es nicht? Man steht im Supermarktregal und klopft gegen eine Wassermelone, in der Hoffnung man könnte den Reifegrad erhorchen. „Ob eine Wassermelone reif ist, kann man neben dem Klopfen, das ich selbst nicht beherrsche, an der gelben Liegefläche sehen. Wird die Melone reif, dann wird sie an der Stelle, auf der sie auf dem Boden liegt, gelb und bekommt einen weißlichen Schimmer“, erklärt Inga Kreutzfeldt. Nach dem weißlichen Schimmer Ausschau zu halten, lohnt sich übrigens nicht. Denn den wird man nicht im Supermarktregal ausfindig machen können. Bevor die Melonen den Hof verlassen werden sie nämlich in Handarbeit kontrolliert und poliert.

„Im Gegensatz zu Wassermelonen, die wir vollreif ernten und ausliefern, reifen die Zuckermelonen noch nach“, erzählt sie und zeigt auf eine Kiste mit fauligen Melonen. „Bei den Wassermelonen haben wir zwar keine Fäulnisprobleme, aber was auf dem Feld nicht mehr reif wird, wird’s auch hier auf dem Hof nicht mehr.“
Was Kohl und Melonen gemeinsam haben
Das Hauptgeschäft der Familie ist und bleibt der bewährte Dithmarscher-Kohl, den sie auf 100 Hektar in den Sorten Weiß-, Rot-, Wirsing-, Spitz- und Blumenkohl sowie Brokkoli anbauen. Zwar scheinen zwischen Kohl und Melone Welten zu liegen, das Melonenprojekt profitiert aber vom Kohlanbau. „Wir nutzen eigentlich fast alle Maschinen, die wir auch in der Kohlernte benötigen“, sagt Inga Kreutzfeldt, nur das lange Kohlmesser wäre etwas überdimensioniert, da würden sie ein kleineres nehmen. Eine weniger schöne Gemeinsamkeit, die Familie Kreutzfeldt und alle Angestellten spüren durften: Mücken fühlen sich scheinbar nicht nur zu Wirsingkohl, sondern auch zu Melonen hingezogen. „Mal eben schnell“ den Hofladen mit frischer Melonen-Ernte auffüllen, wurde das ein oder andere Mal zur Tortur, erinnert sich Inga Kreutzfeldt: „Ohne Mückenspray war man verloren.“
Die Zukunft der Melone in Dithmarschen
Aktuell begrenzt sich der Melonenanbau in Dithmarschen auf zwei Höfe, den Hof-Kreutzfeldt und den Nachbarhof, auf dem Remus Schwiegersohn Wassermelonen anbaut. Bislang hat der Kronzprinzenkoog also noch das Melonen-Monopol inne. Die Zwischenbilanz der Familie Kreutzfeldt ist gut. Auch, wenn der Anbau sehr viel Handarbeit ist, sind sich alle einig, dass im nächsten Jahr wieder Melonen vor der Haustür gepflanzt werden.