Rübenmaus, Hundegang & Impfkristall – was steckt dahinter?

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Was haben Hunde und Mäuse mit Zuckerrüben zu tun und wieso werden Rüben zu Schnitzeln verarbeitet? Wofür benötigt man Impfkristalle und warum heißt Zucker manchmal Raffinade? In der Zuckerrübenbranche gibt es einige schräge Fachbegriffe. Wir erklären euch, was es mit ihnen auf sich hat.

Schosserrüben

Wer sich ein bisschen mit dem Thema Zuckerrüben beschäftigt (und nicht aus der Landwirtschaft oder der Pflanzenkunde kommt), der wird vermutlich irgendwann über die Begrifflichkeit „Schosserrüben“ stolpern und sich fragen, was denn damit gemeint sein soll.

Schosser- oder auch Unkrautrüben sind die Zuckerrübenpflanzen, die bereits im ersten Jahr blühen. Eigentlich gehören Zuckerrüben zu den zweijährigen Pflanzen (genaueres könnt ihr im Steckbrief noch einmal nachlesen), die erst im zweiten Jahr, der generativen Phase, blühen und Samen ausbilden. Trotzdem wachsen auf jedem Rübenfeld auch im ersten Jahr bereits sogenannte Schosser – und zwar in Abhängigkeit von Sorte und Witterung. Das passiert zum Beispiel, wenn die Länge des Tages einen gewissen Wert überschreitet. Anders gesagt: Je länger der Tag, desto schneller tritt das Schossen ein. Vor allem wenn auf eine Kälteperiode sehr lange Tage folgen, kann das Schossen ausgelöst werden.

Wo ist das Problem, kann man sich da fragen. Blühende Pflanzen sehen doch sogar schön aus. Tatsächlich haben Schosserrüben eine negative Auswirkung auf den gesamten Rübenertrag. Denn wenn man sie nicht entfernt, konkurrieren die aus ihnen entstehenden Unkrautrüben mit den anderen Pflanzen um Licht, Wasser und Nährstoffe. Und nicht nur das: Wenn man die Schosser im Zuckerrübenanbau nicht konsequent bekämpft, ist die gesamte Fruchtfolge (also die Pflanzen, die in den Jahren nach den Zuckerrüben auf dem Feld angebaut werden) von Unkrautrüben betroffen. Deshalb müssen die Schosser vor der Samenreife ausgerissen werden.

Hundegang

Nein, ihr seid nicht in den falschen Text gerutscht. Der Hundegang hat tatsächlich etwas mit Zuckerrüben zu tun. Und zwar mit ihrer Ernte. Der Rübenroder, der die Rüben aus der Erde holt, ist eine riesige, sehr schwere Landmaschine. Um den Feldboden nicht unnötig stark zu belasten und möglichst wenig Furchen oder Radspuren zu verursachen, fährt der Roder so viel wie irgendwie möglich im schrägen sogenannten Hundegang. Er bewegt sich spurversetzt fort. Das funktioniert deshalb, weil der Roder mehr als eine Achse hat und große, breite Räder – oft in ungerader Anzahl. Die unpaarigen Räder laufen dabei zwischen den Spuren der anderen Räder.

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Manche der Roder verfügen auch über einen Knick-Rahmen, durch den es möglich ist, dass die Achsen versetzt hintereinander laufen. So ist eine bodenschonende Ernte möglich, weil die überfahrene Fläche größer ist. Das dient nicht nur als gute Basis für die nachfolgende Aussaat, sondern ist auch wichtig, damit Verluste beim Verladen der Rüben mit dem selbstfahrenden Rübenreinigungslader vermieden werden können. Denn wenn Rüben zum Beispiel in Furchen fallen, können sie schlecht vom Lader aufgenommen werden. Wieso das Ganze Hundegang genannt wird? Bei Hunden bewegen sich die Pfoten zwar in Laufrichtung, stehen aber nicht hintereinander, weil sie die Vorderläufe seitlich versetzt zu den Hinterläufen aufsetzen. Den Hundegang gibt es innerhalb der Landwirtschaft übrigens nicht nur bei Rübenrodern, sondern bei vielen anderen großen Maschinen.

Rübenmiete

Eine Miete, die man zahlen muss, kennen wir alle. Die hat allerdings nichts mit Rüben zu tun. Die Miete, von der hier die Rede ist, ist die Bezeichnung für eine bestimmte Lagerform von Schüttgütern. Dabei werden diese kontrolliert aufgeschüttet und bilden dann einen stabilen Haufen. In der Landwirtschaft werden vor allem Zuckerrüben direkt nach der Ernte in langen Reihen am Rand des Feldes in Mieten aufgehäuft. Damit die Abfuhr später problemlos und verlustarm klappt, muss die Rübenmiete gut angelegt sein. Dafür sind sowohl die Landwirt:innen durch die Auswahl des Ackers und die Lage der Miete, als auch die Roderfahrer:innen verantwortlich. Je nach Witterung werden die Rüben mit Stroh, Erde oder Planen abgedeckt, damit kein Frost hineinziehen kann. Von der Miete aus werden die Rüben mit der Rübenmaus aufgenommen und per LKW oder Anhänger zur Fabrik gebracht.

Rübenmaus

Mäuse sind kleine, ganz leichte, wuselige Tierchen. Was sie mit den riesigen, eher schwerfällig wirkenden Rübenreinigungsladern zu tun haben, die während der Ernte auf den Feldern unterwegs sind, ist erstmal nicht ersichtlich. Trotzdem werden die imposanten Landmaschinen als Rübenmaus bezeichnet. Mit winzigen Mäusen hat das allerdings nichts zu tun. „MAUS“ ist in dem Zusammenhang eine Abkürzung und steht für M wie Mieten, A wie Aufnahme, U wie Umladen und S wie System. Ein bisschen ausführlicher: Die reifen Zuckerrüben werden vom Rübenroder gerodet und in langen Mieten am Feldrand abgelagert. Nun kommt der Reinigungslader zum Einsatz. Er kann die Zuckerrüben in einem Arbeitsgang aufnehmen, sie von Erde befreien und durch ein Überladeband auf einen LKW oder Anhänger zum Abtransport zur Zuckerfabrik umladen.

Rübenkampagne

Habt ihr schon mal etwas von einer „Rübenkampagne“ gehört? Klingt super abstrakt, ist es aber gar nicht. Vermutlich kennt ihr das Wort Kampagne im Zusammenhang mit Öffentlichkeitsarbeit – beispielsweise eine Werbekampagne. Grob zusammengefasst beschreibt eine Kampagne eine befristete Aktion, die ein festgelegtes Ziel hat – in der kaufmännischen Sprache bedeutet sie auch Geschäftszeit oder Saison. Um das Ziel einer Kampagne zu erreichen, müssen mehrere Personen koordiniert zusammenarbeiten.
Zurück zur Rübenkampagne. So nennt man die Zeit, in der Zuckerfabriken Zuckerrüben verarbeiten. Meistens ist das von Mitte September bis in den Januar hinein. Damit alles reibungslos abläuft, muss die Kampagne bis ins Detail geplant sein, denn die Zuckerfabriken arbeiten währenddessen rund um die Uhr und an sieben Tagen in der Woche. Das liegt zum einen daran, dass die Zuckerrüben nach der Ernte Stück für Stück Teile des gespeicherten Zuckers für ihren Stoffwechsel verbrauchen und man für eine möglichst hohe Zuckerausbeute die Rüben nach der Ernte so schnell wie möglich verarbeiten muss. Zum anderen können beispielsweise die für die Zuckerherstellung notwendigen Verdampfungsvorgänge nicht unterbrochen werden. Elementar ist auch, dass die Anlieferung der Zuckerrüben logistisch so gesteuert ist, dass immer ausreichend Rüben in der Fabrik zur Verarbeitung vorhanden sind.

Rübenschnitzel

Rübenschnitzel haben rein gar nichts mit dünn geschnittenen Fleischstücken zu tun. Sie sind ein Nebenprodukt der Zuckerrübenverarbeitung. Wenn die Zuckerrüben in der Fabrik ankommen, werden sie erst gewaschen und dann in Schneidemaschinen zu dünnen Rübenschnitzeln zerkleinert. Sie sind dann drei bis vier cm lang und zwei bis drei mm dünn. Nachdem sie ausgezuckert sind, werden die Rübenschnitzel vor allem als Futter für Rinder, Schweine, Schafe und Pferde verwendet. Sie haben einen hohen, gut verdaulichen Rohfaseranteil und sind reich an Nährstoffen. Man unterscheidet – je nach Wassergehalt – zwischen Nass-, Press- und Trockenschnitzeln. Um den Energiegehalt der Trockenschnitzel zu erhöhen, kann man Melasse hinzufügen. Dann werde sie melassierte Trockenschnitzel oder Melasseschnitzel genannt.

Im Video erklärt Benjamin Kirchberger, Leiter der Rohstoffabteilung Bayern der Südzucker AG, wie die Futtermittel aus der Rübe aufbereitet werden.

Melasse

Hier haben wir euch schon genauer erklärt, was passiert, um den Zucker aus der Rübe zu holen. Wie aus den Schnitzeln der Rohsaft, dann der Dünnsaft und schließlich der Dicksaft entsteht. Was wir noch nicht ausführlich thematisiert haben, ist die Melasse. Sie ist – genau wie die Schnitzel – ein Nebenprodukt der Zuckerproduktion. Wenn aus dem goldbraunen Dicksaft die Hauptmasse des Zuckers auskristallisiert ist, wird dieser durch Zentrifugieren von den flüssigen Rückständen getrennt. Dieser Sirup ist die Zuckerrübenmelasse. Anschließend wird der noch braune Rohzucker gereinigt und von den restlichen anhaftenden Melasseresten getrennt. Die Zuckerrübenmelasse ist eine zähe dunkelbraune, oft fast schwarze Flüssigkeit. Ihr Zuckergehalt liegt bei 42 bis 47 Prozent.

Durch ihre Farbe und Konsistenz kann man Melasse leicht mit Zuckerrübensirup verwechseln. Es handelt sich dabei aber um zwei unterschiedliche Produkte. Melasse fällt als Nebenprodukt bei der Zuckerproduktion ab – aus zehn Tonnen Zuckerrüben entsteht etwa eine halbe Tonne Zuckerrübenmelasse – Rübensirup hingegen erhält man, wenn man Zuckerrüben einkocht.

Zum Einsatz kommt Melasse aus der Zuckerrübe vor allem als Futtermittel für fast alle Tierarten, bei Fermentationsprozessen in der Lebensmittelindustrie – etwa als Rohstoff für die Herstellung von Alkohol und Hefe – und zur Erzeugung von Biogas und Bio-Ethanol. Darüber hinaus eignet sie sich als biologischer Flüssigdünger, da Zuckerrübenmelasse viele Mineralstoffe, Spurenelemente und Kohlenhydrate enthält und für eine gesunde Vielfalt wichtiger Bakterien und Mikroorganismen sorgt. Und auch als Lebensmittel kann Zuckerrübenmelasse verwendet werden. Sie schmeckt herb-süß und ist eine kalorienärmere Alternative zu Haushaltszucker, Honig oder Ahornsirup.

Impfkristall

Weiter oben konntet ihr schon lesen, dass der Rübenzucker aus dem Dicksaft auskristallisiert wird. Um diesen Prozess zu unterstützen, kommen bei einem bestimmten Verhältnis von Wasser zu Zucker sogenannte Impfkristalle – in Form feinsten Zuckers – zum Einsatz. Sie sollen die Kristallbildung anregen, da sich die Zuckerkristalle aus dem Dicksaft an ihnen lagern. Anders gesagt: Ein Impfkristall ist ein Ausgangskristall, der für die Züchtung größerer Kristalle eingesetzt wird. Im Prozess der Zuckerherstellung entsteht durch die Impfkristalle ein dickflüssiger Brei.

Raffinade

Oft wird Zucker auch Raffinade genannt, das ist euch im Supermarkt bestimmt schon mal aufgefallen. Wenn ihr raffinierten Zucker kauft, dann bekommt ihr den Zucker mit dem höchsten Reinheitsgrad. Denn um aus dem anfänglich noch leicht bräunlichen Zucker (Rohzucker), der nach dem ersten Zentrifugieren vorhanden ist, die strahlend weiße Raffinade zu gewinnen, muss man diesen nochmals auflösen, einkochen und wieder auskristallisieren. Diesen Prozess nennt man Raffination. Raffinade gibt es in verschiedenen Körnungen von grob über mittel bis hin zu fein. Außerdem ist sie Ausgangspunkt für viele weitere Zuckersorten wie Puderzucker, Würfelzucker oder den Zuckerhut. Mehr über die verschiedenen Zuckersorten lest ihr hier.

Wir hoffen, wir konnten ein wenig Klarheit in die Fachbegriffe rund um die Zuckerrübe bringen. Wenn ihr noch weitere Fragen habt, stellt sie gern in den Kommentaren oder schickt und eine Mail an moin@deichdeern.com. Und vielleicht könnt ihr unser „Zuckerrüben-Lexikon“ ja sogar noch um einen weiteren Fachbegriff ergänzen? Dann schreibt uns ebenfalls einen Kommentar oder schickt eine Mail. Wir freuen uns über euren Input! 🙂

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